Der alte und neue Jesus
Bei den Jesus-Darstellern setzt Stückl auf Frederik Mayet (38) und Rochus Rückel (22). Ersterer war schon Jesus-Darsteller bei den Spielen 2010, Letzterer war bei den vergangenen Spielen noch ein Kind. „Das ist schon verrückt, wenn man dann plötzlich seinen Namen auf der Tafel geschrieben sieht“, sagt Rückel, „Das glaubt man gar nicht so richtig. Es ist jedenfalls eine riesen Ehre und ich glaube ein Erlebnis, was du nur einmal im Leben hast.“ Mayet sieht das ganz ähnlich: „Ich habe das zwar schon einmal gemacht, aber ich bin trotzdem absolut überrascht und froh, dass ich das nochmal machen darf.“
„Ich weiß, dass die beiden Jesus-Darsteller sich nicht gerade ähneln“, sagt Stückl, „aber genau das ist reizvoll, weil jeder der beiden seinen Zugang zu dieser Person finden muss.“ Generell fällt auf, dass Stückl häufig sehr junge Darsteller ausgewählt hat. „Jede Passion muss eine weitere Generation mitreißen. Wir müssen also jedes Mal dafür sorgen, dass es wieder genug Nachwuchsdarsteller gibt“, sagt der Spielleiter.
Mehr Jesus, weniger Leiden
Stückl führt als Spielleiter nicht nur Regie, sondern wird sich auch federführend um die Texte kümmern. Dabei möchte er sich vor allem auf die Figur Jesus konzentrieren. „Wir müssen den greifbar machen. Wir müssen erklären, wer das war.“ Dabei wolle er weg vom rein leidenden Jesus am Kreuz und sich stärker beispielsweise auf die Auferstehung fokussieren.
Zur Person des Judas, die er mit Martin Schuster und Cengiz Görür besetzt hat, sagt er: „Judas war vielleicht sogar der beste Freund von Jesus. Und vielleicht war er so getrieben, dass er ihn verraten hat. Wir wissen es nicht genau, aber Jesus wird sich schon was dabei gedacht haben, als er auch Judas zu seinen Jüngern zählte.“
Gelübde erneuert
Bevor die Schauspieler ihre Namen an der Tafel sahen, wurde das traditionelle Gelübde in einem Gottesdienst erneuert. Dabei zog der feierliche Festzug von der katholischen Kirche in Oberammergau zur evangelischen Kirche und anschließend ins Festspielhaus. Weihbischof Wolfgang Bischof feierte den Gottesdienst gemeinsam mit der evangelischen Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler.
Weihbischof Bischof ist überzeugt: „Die Zusage der Oberammergauer ist keine Folklore und Gedenkveranstaltung, sondern die Vergegenwärtigung des Heilswirkens Gottes auch heute.“ Dementsprechend gerührt ist er, als das kleine Mädchen das Gelübde von 1634 erneuert. Das volle Passionsspielhaus erhebt sich andächtig. Es ist das Gelübde, das die Oberammergauer seit Beginn der Passionsspiele ablegen.
Der Ansturm auf das Dorf
Insgesamt erwartet Oberammergau 450.000 Besucher an 103 Spieltagen, teilten die Veranstalter mit. Die Premiere findet am 16. Mai 2020 statt. Welcher der Darsteller dann allerdings zu sehen ist, ist noch nicht klar. „Unsere Darsteller sind keine Erst- und Zweitbesetzungen, sondern absolut gleichwertig“, sagt Stückl, „wer die Premiere spielen wird, wird das Los entscheiden.“