„Maria durch ein Dornwald ging“ gehört zu den bekanntesten Adventsliedern aus der katholischen Tradition. Beim ersten Hinhören wirkt das Lied eher schlicht und altbacken. Dabei ist es alles andere als alt. Die älteste Quelle für das Lied stammt aus dem Jahr 1850. August von Haxhausen erforscht zu dieser Zeit Volkslieder und nimmt das Werk in sein Buch „Geistliche Volkslieder“ auf. Dort ist es gleich in mehreren Versionen enthalten. Wahrscheinlich ist es lange Zeit ein „Ansinglied“ gewesen, ein Lied mit dem eine Gruppe von Mädchen und Frauen von Tür zu Tür zog, um sich damit ein wenig Geld zu verdienen. In der Haxthausen-Sammlung wird berichtet, dass das Ansingen wohl immer am Neujahrstag, dem Tag der Namensgebung Jesu, stattgefunden hat.
Wandervögel machen das Lied populär
Auf die offizielle Hitliste der Kirche schafft es „Maria durch ein Dornwald ging“ aber erst Anfang des 20. Jahrhunderts. Und das ganz ohne Hilfe der Kirchenmusiker. 1912 ist es mit drei Strophen im „Zupfgeigenhansel“ abgedruckt, dem Liederheft der bürgerlichen Wandervogel-Bewegung. Die Wandervögel wollten zurück zur Natur und zum Wahren, Schönen, Guten. Die einfache Sprache und Melodie von „Maria durch ein Dornwald ging“ kam diesem Bedürfnis entgegen.
Maria durch ein Dornwald ging (GL 224)
Maria durch ein Dornwald ging, Kyrieeleison
Maria durch ein Dornwald ging,
der hat seit sieben Jahr kein Laub getragen.
Jesus und Maria.
Was trug Maria unter ihrem Herzen? Kyrieeleison.
Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen,
das trug Maria unter ihrem Herzen.
Jesus und Maria.
Da haben die Dornen Rosen getragen, Kyrieeleison.
Als das Kindlein durch den Wald getragen,
da haben die Dornen Rosen getragen!
Jesus und Maria.
Auch die romantische Legende, die das Lied besingt, dürfte es den Wandervögeln angetan haben. Maria ist mit dem Jesuskind schwanger und betritt einen völlig abgestorbenen Wald, in dem es nur noch Dornengestrüpp gibt. Und da passiert das Wunder: An den dürren Ästen blühen Rosen, die Wüste wird zum Paradies, erklärt der Münchner Diözesanmusikdirektor Stephan Zippe. Schließlich entdeckt die Kirche das Lied vom Rosenwunder für die musikalische Gestaltung der Liturgie. Denn je länger der Advent, desto marianischer wird er, so Zippe.