München - Die Zahlen, die bisher bekanntgeworden sind, sind schrecklich: 1.670 Kleriker haben sich an 3.677 Kindern vergangen. Das sind nur die bekannten Fälle: Die Dunkelziffer dürfte weit größer sein. Die beauftragten Wissenschaftler untersuchten den Zeitraum von 1946 bis 2014. Allerdings auch danach dürfte es zu Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche gekommen sein.
Dass am Mittwoch vergangener Woche plötzlich Teile der Studie vom Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ veröffentlicht wurden, war sicherlich ein böses Erwachen für die deutschen Bischöfe. Doch eigentlich ist es auch eine Chance: Denn bei ihrer Vollversammlung können sie sich, ja dürfen sie sich nicht mehr darauf ausruhen, dass sie die Zahlen und Fakten präsentieren. Diese Arbeit hat ihnen das Nachrichtenmagazin bereits abgenommen! Sie können jetzt punkten, indem sie konkrete Vorschläge zur Aufarbeitung und Prävention von Missbrauch präsentieren. Das Erzbistum München und Freising hat da eine Art Vorreiterrolle übernommen. Nicht nur, dass bereits 2010 eine eigene Studie zum Thema Missbrauch im Erzbistum erarbeitet worden ist. Alle Seelsorger müssen eine eigene Online-Schulung durchlaufen. Damit soll sexueller Missbrauch verhindert werden und die Seelsorger auch für mögliche Verdachtsfälle sensibilisiert werden. Nötige und wichtige Schritte.
Vertrauen zurückgewinnen
Doch für die Opfer entscheidender: Wie geht Kirche mit ihnen und ihren Nöten um? Werden Fälle von sexuellem Missbrauch weiter lieber unter der Decke gehalten, in der Hoffnung, dass Betroffene schweigen und damit dem Ansehen der Institution nicht schaden? Oder gehen die Kirchenoberen in die Offensive? Bieten den Opfern psychologische und finanzielle Hilfen an, gehen auf sie offen zu. In diesen Kontext gehört natürlich auch der Umgang mit den Tätern. Es muss einen Beschluss geben, dass bei Verdachtsfällen die Seelsorger sofort aus dem Dienst genommen werden und wer verurteilt ist, nicht mehr in die Seelsorge zurückkehrt. In der Kirche – eine Institution, die für ihre hohen moralischen Werte bekannt ist, die Nächstenliebe und friedlichen Umgang miteinander predigt und von den Gläubigen einfordert, haben solche Menschen nichts zu suchen.
Darum der Appell an die Bischöfe: Nutzt die Chance, die euch der Leak ermöglicht, geht voran, auch wenn es schmerzhaft ist und gewinnt dadurch wieder Vertrauen und Achtung der Menschen zurück! Denn die Zeit für Betroffenheit und Schuldeingeständnisse, die ist vorbei.