München – „Wann geht’s los?“ Amar (Namen aller Häftlinge von der Redaktion geändert) steht mit den Händen in der Hosentasche im Türrahmen. „Gleich!“ Anja Moser schnappt sich ein paar Kugelschreiber, nimmt ihren wuchtigen Schlüsselbund und schiebt Amar sachte aus ihrem Zimmer. Seit 17 Jahren arbeitet die Sozialpädagogin bei der Katholischen Jugendfürsorge der Erzdiözese auf Station N2b in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim. „N2b, das ist die Welpenstation“, sagt einer der Vollzugsbeamten. 20 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 21 Jahren sind hier in Untersuchungshaft. Alle vier bis sechs Wochen findet immer samstags der „interreligiöse Glaubensaustausch“ statt. Die Teilnahme ist freiwillig. „Die Jungs kommen gerne, das lenkt sie vom Gefängnisalltag ab. Sie mögen die Gespräche mit Schwester Josefa“, sagt Moser und zieht mit einem Ruck ihre Bürotür zu.
Heute wird der Aufenthaltsraum gut gefüllt sein. Zehn junge Männer möchten an diesem Samstagvormittag am Gesprächskreis teilnehmen. „Das sind ziemlich viele, das kann dann manchmal für alle etwas anstrengend werden“, gibt Schwester Josefa Strunk von den Armen Schulschwestern zu, während ein Beamter im Flur die Wartenden mit der Teilnehmerliste abgleicht. Dann erst dürfen Amar, Mohammed, Christian und die anderen den schlichten Raum betreten.
„Wer möchte Adam sein? Wer ist Gott?“
Auf einer Tischtennisplatte, deren Netz demontiert wurde, liegen zwei karierte Tischdecken. In der Mitte eine Skulptur aus Ton, vier Menschen stehen als Gruppe miteinander verbunden um ein Teelicht. Schwester Josefa teilt Textblätter aus zu dem heutigen Bibelgespräch über die Sündenfallgeschichte. „Wer spricht die Schlange? Wer möchte Adam sein? Wer ist Gott?“.
Blitzschnell reckt Erol die Hand zur Decke. Der 15-Jährige wird sich an diesem Vormittag noch oft melden. In verteilten Rollen sprechen die Jugendlichen die Bibelstelle – Buch Genesis, Kapitel 3. „Habt ihr alles verstanden? Was bedeutet zum Beispiel das Wort ,Erkenntnis‘ in ,Baum der Erkenntnis‘?“, fragt Moser. Was während der nächsten Stunden auffällt: Die Jugendlichen zeigen echtes Interesse, hören zu, viele von ihnen diskutieren mit. Die Mehrheit der Jugendlichen gehört dem Islam an. „Was da in der Bibel drinsteht, interessiert mich schon“, sagt Mohammed und malt blaue Strichmännchen neben den Text.
Die Katholische Jugendfürsorge (KJF) kümmert sich in der JVA Stadelheim in München um straffällig gewordene Jugendliche. Mit sozialen Trainingskursen, Einzelgesprächen und Exkursionen. Die Sozialarbeiterinnen Anja Moser und Corinna Pfeiffer waren zu Gast in der Sendung "Total Sozial" des Münchner Kirchenradios. Hören Sie hier den Podcast.