Ob Tiere denn in den Himmel kommen, ist eine Frage, die sich nicht nur Kinder stellen. Manch Erwachsener wundert sich eventuell doch, wenn der Tod eines geliebten Hundes oder einer Katze die gleichen Folgen nach sich zieht wie der Verlust eines lieben Menschen: tiefe Trauer, Apathie, ein Nicht-Wahrhaben-Wollen. Und für einen glaubenden Menschen ist die Frage nach dem Schicksal der Tiere nach ihrem Tod keine belanglose, wirft sie doch ein Licht auf die existentiell bedeutsame Frage, an welchen Gott ich glauben möchte: an einen Herrscher, der nach einem quasi-juristischen Verfahren die einen verstößt und die anderen aufnimmt; an einen Gott, der lediglich das eine Geschöpf, den Menschen, im Blick hat, wenn es um die Ewigkeit bei ihm/in ihm geht; oder an jenen Schöpfer, von dem die Bibel sagt, dass er „Liebhaber des Lebens“ ist? Ich möchte an jenen leidenschaftlichen Liebhaber-Gott glauben und in der Folge müsste ich die obige Frage, ob Tiere denn in den Himmel kommen, mit der Gegenfrage beantworten: Wohin denn sonst? Auf die Abfallhalde der Evolution etwa?
Und wenn der Himmel tatsächlich nur der Ort des Menschen nach seinem Tode ist, müssten wir uns die Frage stellen, wen wir aus unserer langen Vorfahrenreihe dort erwarten dürfen: Schon den australopithecus afarensis oder erst homo erectus? Und was ist mit dem homo neandertalensis?
Letztlich kommen wir doch bei einer engen Vorstellung dessen, was die Ewigkeit bei Gott ist, in Teufels Küche (im wahrsten Sinne des Wortes!). Schon der Prophet Jesaja beschreibt in seiner Vision des neuen Himmels und der neuen Erde die letzte Gerechtigkeit nur als eine mit den Tieren und nicht ohne sie: „Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein; Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten.“ (Jes 11,6)
Meine eigene Kindheit ist ohne die Tiere nicht zu denken; und natürlich gab es neben denen, die sich auf dem Feld, im Wald und im Bach tummelten, auch die Favoriten zuhause: Unser leider erblindeter Dackel hieß „Strolchi“, mein grün-gelber Wellensittich hörte auf den Namen „Jacky“ und der alte Schildkrötenherr hieß „Sir Harry“. Selbstverständlich redete ich mit ihnen und wusste, dass sie mich auf ihre je eigene nicht-menschliche Weise verstanden; manchmal sogar mehr als mein Bruder.
Das Amselküken kam nicht auf den Müll
Beerdigungen waren für mich hilfreiche Rituale, wenn ein geliebtes Geschöpf starb; aber auch das aus dem Nest gefallene, noch nackte Amselküken warf ich nicht in den Müll.Und natürlich betete ich für die Tiere: zum Beispiel während des gesamten Winters darum, dass die Schildkröte wieder aus dem Winterschlaf erwachen würde.
Davon, dass Adam die Tiere benennen soll, erzählt die Bibel im zweiten Buch Genesis. Hierbei handelt es sich wie in vielen biblischen Texten nicht um einen „Bericht aus dem Garten Eden“, sondern eher um ein Gedicht über das Besondere des Mensch-Tier-Gott-Verhältnisses und die Frage, wie echte Menschwerdung geht. Diese Poesie bündelt tiefe und kostbare Erfahrungen der Menschheit mit ihren schillernden Mitgeschöpfen, und dem Benennen der Tiere kommt darin eine hohe Bedeutung zu; denn die jeweilige Zuschreibung muss unbedingt passen. Wenn der erste Mensch den Tieren einen Namen gibt, heißt dies, dass er sich in ein Vertrauensverhältnis zu ihnen begeben soll. Ein „Erfahrungswissen über die Naturen der Tiere“ soll er sich aneignen, sagt der große Theologe Thomas von Aquin.
Das, wofür das Tier steht, soll und kann ich auch in meiner eigenen Erfahrungswelt, meiner „inneren Landschaft“ entdecken; manches wird mich dann freuen und über manches werde ich mich erschrecken: Dass ich so treu, aber manchmal auch devot und angepasst bin wie ein Dackel; freiheitsliebend und zum Fliegen begabt, aber eingesperrt wie der Wellensittich, zudem äußerst robust, aber abhängig von Außenwärme wie der kaltblütige Schildkrötenherr Sir Harry.