München – Die Polizei hat am Mittwoch einen weiteren antisemitischen Vorfall in München bestätigt. So fanden zwei Mitglieder der jüdischen Gemeinde, ein 22- und ein 47-jähriger Mann, am Montagabend nach ihrer Rückkehr vom Abendgebet in der Synagoge gegen 20.20 Uhr in ihrem Wohnhaus in der Isarvorstadt eine Davidstern-Schmiererei vor. Dies hatte am Dienstag bereits die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde für München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, berichtet.
Laut Polizeibericht vom Mittwoch hatte der Davidstern an der Wand im Treppenhaus eine Größe von 5 mal 5 Zentimeter. Er sei in blauer Farbe mit einem Kugelschreiber gemalt worden. In der Vergangenheit seien in dem Anwesen keine ähnlichen Fälle angezeigt worden. Das jetzige Graffiti habe die Polizei vollständig entfernt.
Zeugen gesucht
Das Kommissariat 44 hat die Ermittlungen aufgenommen. Ein Tatverdacht liege derzeit nicht vor, hieß es. Gesucht werde nach Zeugen, die im angegebenen Zeitraum im Bereich der Herzog-Heinrich-Straße/Kapuzinerstraße und Lindwurmstraße Wahrnehmungen gemacht hätten. Hinweise werden unter Telefon (0 89) 29 10 - 0 oder bei jeder anderen Polizeidienststelle entgegengenommen. Bereits am Samstag war ein Rabbiner und seine beiden Söhne als "Scheiß Juden" beleidigt sowie einer von ihnen bespuckt worden. Der Vorfall hatte weithin für Aufregung und Bestürzung gesorgt.
Laut der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Bayern wurden seit April 72 judenfeindliche Vorfälle im Freistaat gemeldet, allein 35 aus München. Solche Attacken seien nur die Spitze des Eisberges, heißt es auf der Facebook-Seite von RIAS. "Die Dunkelziffer ist hoch, weil viele Fälle nicht öffentlich werden", so Leiterin Annette Seidel-Arpaci.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte solche antisemtischen Umtriebe auf das Schärfste verurteilt. Die Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft ermutigte er, sich nicht einschüchtern zu lassen. "Wir wollen selbstbewusstes jüdisches Leben im öffentlichen Raum! Wir wollen, dass die Kippa selbstverständlich auf Bayerns Straßen getragen wird!"
"Niemand greift ein"
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, ruft zu Zivilcourage auf. "Neben politischen Maßnahmen zum Schutz von Minderheiten ist ebenso Zivilcourage erforderlich. Leider machen Juden immer wieder die Erfahrung, dass niemand eingreift, wenn sie antisemitisch beleidigt werden", sagte Schuster am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Doch für das Land insgesamt gilt: Wegschauen ist gefährlich! Dann überlassen wir den Hetzern und Spaltern das Feld." Mehr mutiges Einschreiten für die Werte des Grundgesetzes solle in der Gesellschaft Konsens sein.
Der Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdischen Dialog in München, Andreas Renz, forderte ebenso Zivilcourage im öffentlichen Raum: "Egal ob in der S-Bahn oder auf der Arbeit. Wer schweigt, stimmt zu und gibt den antisemitischen Kräften im Grunde genommen Raum."
(kna/smb)