München – Wie reagieren Menschen in Krisensituationen, wie und warum fühlen wir uns sicher oder unsicher? Und wie lässt sich im Fall von Gewalt und Katastrophen angemessen reagieren? Existenzielle Fragen waren es, denen man sich bei der Gesprächsrunde „Klosterforum Isarvorstadt“ widmete. Der Abend stand unter dem Motto „Glaube und innere Sicherheit“ und so begrüßte Kapuzinerpater Stefan Walser Experten, die sich berufsmäßig mit Extremsituationen auskennen: Notfallseelsorger Diakon Hermann Saur, den Leiter der Integrierten Leitstelle der Feuerwehr München, Florentin von Kaufmann, und den langjährigen BR-Polizeireporter Oliver Bendixen.
Das Gespräch kam schnell auf den Amoklauf im Münchner Olympiaeinkaufszentrum, bei dem der 18-jährige Schüler David S. am 22. Juli vergangenen Jahres willkürlich neun Menschen tötete und sich schließlich selbst erschoss. Über Stunden herrschte Ausnahmezustand in München.
Panik in der Stadt
Alle Teilnehmer waren an diesem Abend im Einsatz und bestätigten, dass die Lage lange Zeit völlig unklar war. Schuld daran war vor allem die ungeordnete Informationsflut in den sozialen Kanälen, wo sich Falschmeldungen in Windeseile verbreiteten und so die Stimmung zuspitzten: „Die Informationshoheit haben heute nicht mehr wir Journalisten, sondern jeder, der ein Handy besitzt und Meldungen ohne Sinn und Verstand verbreiten kann“, resümierte Bendixen. „Die Situation stellte sich somit für viele Menschen als lebensbedrohlich dar“, sagte Saur. „Fake News“ sorgten für Paniken an vielen Plätzen der Stadt. „Das bekam alles eine unglaubliche Dynamik, unsere für solche Situationen eingeübten Handlungsschemata griffen nicht sofort“, bestätigte auch von Kaufmann. Nur gesicherte und verifizierte Informationen halfen, das Szenario zu beruhigen. Die professionellen Helfer mussten zudem die eigenen Emotionen ausblenden, um wieder Handlungssicherheit zu gewinnen.
Kann der Glaube hier Stütze und Hilfe sein? Alle drei meinten, dass dieser im unmittelbaren Einsatz kaum eine Rolle spiele. Der Notfallseelsorger ging sogar noch weiter: Bei traumatisierte Menschen, die etwa gerade die Todesnachricht vom Partner oder eigenen Kind erhalten haben, seien Glaubensaussagen wie die Auferstehungsbotschaft völlig fehl am Platz: „Maria stand auch nicht unter dem Kreuz und dachte sich ,Alles halb so schlimm, es wird ja Ostersonntag‘.“ Erst später seien Rituale wie das gemeinsame Gebet, das Entzünden von Kerzen oder Gedenkgottesdienste gut und angebracht. Dann sei der persönliche Glaube ebenso wie ein intaktes menschliches Beziehungsgeflecht zum Verarbeiten des Erlebten „unheimlich wichtig“ und könne Halt für das weitere Leben geben. (Florian Ertl)