Rituale – so sagen die Griechen – schaffen eine heilige Zeit. Heilig ist das, was der Welt entzogen ist, worüber die Welt nicht verfügen kann. Die heilige Zeit gehört also Gott und sie gehört mir. Ich habe dann das Gefühl: Ich lebe selbst, anstatt gelebt zu werden. Rituale bringen mich also in Berührung mit mir selbst und sie geben mir das Gefühl, dass ich mein Leben selbst gestalten kann. Für die Griechen vermag nur das Heilige zu heilen. Insofern sind die Rituale immer auch heilsame Rituale. Sie tun der Seele und dem Leib gut. Rituale sind der Weg, den Glauben in den Alltag hineinzubringen und den Alltag aus dem Glauben heraus zu leben. Wir wissen alle theoretisch, dass Gott überall da ist. Aber wir leben nicht aus der Gegenwart Gottes. Rituale erinnern mich daran, dass ich jetzt vor Gott stehe und unter seinem Segen meinen Weg gehe.
Jeder sollte für sich selbst Rituale entwickeln
Rituale geben Anteil an den Wurzeln, an den Wurzeln des Glaubens und an den Wurzeln unserer Vorfahren, die mit diesen Ritualen ihr Leben bewältigt haben. Daniel Hell, ein Schweizer Psychiater und Spezialist für Depressionen, meint, einer der vielen Gründe für die Depressionen sei die Wurzellosigkeit. Es tut uns gut, wenn wir aus den Wurzeln der Glaubenskraft unserer Vorfahren leben.
Es gibt die täglichen Rituale, mit denen wir den Tag beginnen und beenden. Jeder sollte für sich selbst Rituale entwickeln, wie er den Morgen und den Abend gestaltet. Ich möchte nur zwei Rituale vorschlagen. Für den Morgen eignet sich das Segensritual. Ich stehe für mich allein und erhebe die Hände nach oben, die Handflächen nach vorne gerichtet. Es ist eine uralte Segensgebärde, die schon 10.000 Jahre alt ist. Ich stelle mir vor, dass Gottes Segen durch meine Hände zu den Mitgliedern meiner Familie strömt, zu den Kindern und Enkelkindern, zu den Eltern und zum Ehepartner. Ich verbinde den Segen Gottes mit meinen eigenen guten Wünschen. Ich stelle mir vor, wie der Segen Gottes mein Kind oder den kranken Vater einhüllt wie ein schützender Mantel. Und wie der Segen Gottes den Menschen durchdringt, so dass er in Einklang kommt mit sich selbst. Dann kann ich den Segen zu den Menschen senden, mit denen oder für die ich arbeite. Dann werde ich meine Arbeit anders beginnen. Ich werde zu gesegneten Menschen gehen. Das verwandelt meine Beziehung zu ihnen.