Wie lassen sich 33 von der Pause aufgedrehte Schülerinnen und Schüler einigermaßen beruhigen, so dass wir konzentriert arbeiten können? Wer jemals einen Klassenraum in der Pause besucht hat, weiß, dass die mit dem Unterrichtsbeginn dann doch eintretende Stille wie ein kleines Wunder wirkt. Oft hilft dabei schlicht und einfach das Stundenklingeln. Was mich immer gestört hat, war aber nicht der Pausenlärm vor dem Stundenanfang, sondern dass die Religionsstunde oft in Erwartung der Pause mit Unruhe endete. Zu einem besseren Stundenabschluss fanden wir mit einem schlichten Ritual: Eine Minute vor Pausenbeginn haben alle die Augen geschlossen und sind einfach ganz still geworden. Einmal eingeübt konnte das dann nicht einmal die Pausenklingel stören.
Rituale geben Orientierung
Rituale machen das Leben einfacher, geben Orientierung im Alltag, ermöglichen eine gemeinschaftliche Erfahrung. In der Regel ist ein Ritual eine feierliche Handlung wie zum Beispiel ein Gottesdienst. Wir kennen aber auch viele weltliche Rituale, die dem Jahreskalender folgen, wie die Sonnenwendfeier oder auch das morgendliche Weckritual. Und wir kennen ganz viele Bräuche. Die sind oft kulturprägend für den Zusammenhalt einer Gemeinschaft und Ausdruck einer Tradition.
Im Christentum gestaltet das Brauchtum vor allem unser Kirchenjahr: Adventskranz, Christbaum und Krippe, die Fastnacht, das Oster-Frühstück, die Kirchweihbräuche, das Erntedankfest, die Bräuche zu Allerheiligen und Allerseelen oder auch bei verschiedenen Heiligenfesten wie das Martinssingen oder das Sternsingen am Dreikönigstag. So, wie uns Bräuche das Kirchenjahr sinnlich erfahrbar machen, begleiten uns christliche Rituale in entscheidenden Situationen unseres Lebens, etwa in den Festen zu besonderen Lebensabschnitten und Ereignissen wie Geburt und Taufe, Erstkommunion, Firmung, Trauung, aber auch in der sakramentalen Begleitung bei Krankheit und Sterben.
„Unterbrechung“ im Alltag
Natürlich ist der Gottesdienst ein ganz besonders prägendes Ritual unserer Religion. Der Theologe Johann Baptist Metz hat Religion einmal mit „Unterbrechung“ übersetzt. Der sonntägliche Gottesdienst unterbricht unseren Alltag. Er lädt uns ein, uns wieder bewusst zu werden, dass wir nicht Sklaven der modernen Gesellschaft und somit Konsum- und Arbeitswut-Hörige sind, sondern Kinder Gottes, zu einem Leben in Freiheit Berufene. Wir unterbrechen die Dynamik des bloßen Funktionierens. Und das macht uns deutlich, wer wir sind. Menschen, die ihre Würde, ihr Ansehen nur von Gott her bekommen und nicht durch gesellschaftliche Anerkennung.