Viele wussten, dass der Wiener Kardinal Franz König sehr dazu beigetragen hatte. Jubel auch über den reisenden und politischen Papst, der so menschennah auftrat, Kinder herzte, römische Pfarreien visitierte, seinen Attentäter im Gefängnis besuchte. Jubel bei seinen Deutschlandreisen, Jubel über einen, der so anders war. Ganz ähnlich wie der Jubel heute über Franziskus. Wir Germanen sind oft sehr kritisch, aber jubeln manchmal auch unkritisch mit.
Ganz bald kam dann auch die Kritik: als er beim Pillenverbot blieb, in Sachen Moral streng war, Hans Küng und andere zensierte.
Hinter dem Papst aus Polen und den meisten deutschsprachigen Christen stehen große Mentalitätsunterschiede. Die erzkatholischen Polen scheinen von Aufklärung wenig zu halten, Volksfrömmigkeit zu übertreiben, als Staatsbürger zu kirchenhörig zu sein. Trieben nicht die Kommunisten die Menschen in die Arme der Kirche? Deutsche verstanden Polen schwer, ebenso Polen uns Deutsche. Ähnlich wird es dem polnischen Papst mit uns Deutschen gegangen sein. Oft mochte er sich gefragt haben: Wieso sind die Katholiken in Deutschland so kritisch? Sie haben doch die besten Theologen: Hans-Urs von Balthasar, Karl Rahner, Joseph Ratzinger. Haben sie nicht die besten Exegeten, auch die profundesten Liturgiker? Eigentlich müsste das kirchliche Leben in Deutschland doch blühen. Aber er beobachtete wohl eben auch die fortschreitende Entfremdung vom Glauben.
Mir stellt sich die Frage: Werden nicht die unterschiedlichen Mentalitäten, religiösen Formen, geschichtlichen Erfahrungen in der Weltkirche zu wenig bedacht? Mentalitäten bleiben trotz der gemeinsamen Taufe.
Pater Eberhard von Gemmingen SJ war von 1982 bis 2009 Leiter der deutschsprachigen Redaktion bei Radio Vatikan.