Garmisch-Partenkirchen - Stauden ausschneiden, Unkraut zupfen und Laub zusammenrechen, die ganz normalen Herbstarbeiten sind zurzeit im Garmischer Pfarrgarten zu erledigen, der auch öffentlich zugänglich ist. Allerdings ist es ein ganz besonderer Garten: Die ungefähr 1.000 Quadratmeter große Anlage folgt einem historischen Vorbild: der Capitulare de villis, der Höfe- und Dörferverordnung, die Kaiser Karl der Große um das Jahr 800 erlassen hat. Sie enthält auch eine lange Liste mit 73 Nutzpflanzen und Heilkräutern sowie 16 verschiedenen Obstbäumen, die der Herrscher auf seinen persönlichen Gütern gepflanzt sehen wollte.
„Wahrscheinlich hat er sich da einiges von den Klöstern abgeschaut“, erklärt Günther Hensel. Zusammen mit anderen ehrenamtlichen Helfern hat der gelernte Gärtner die karolingische Gartenanlage 2013 wiederhergestellt. Die soll nämlich „nach mündlicher Überlieferung“ seit ungefähr dem Jahr 1200 nahezu durchgehend gepflegt worden sein und sich immer am selben Fleck befunden haben: zwischen dem Pfarrhaus und der alten Sankt Martinskirche.
Symbolisch aufgeladen
„Einen urkundlichen Beleg gibt es dafür aber nicht“, erläutert Josef Ostler vom Garmischer Geschichtsverein. „Ein Nutzgarten am Pfarrhof war einfach zu selbstverständlich, um darüber etwas Schriftliches zu hinterlassen.“ Von daher sei es nicht ausgeschlossen, dass seit der Erhebung zum Pfarrsitz im 13. Jahrhundert immer Beete und Bäume neben der Kirche standen. Diese sogenannten Karlsgärten dienten zum einen der Versorgung mit Gemüse und Kräutern, waren aber auch symbolisch aufgeladen: „Die Aufteilung in vier Beete ergibt ein Kreuz und in der Mitte ist ein Brunnen“, erläutert Günther Hensel. Das Wasser versinnbildlicht das Leben, das aus dem Leiden Christi hervorgeht. Die unterschiedlichen Beete verweisen dagegen auf die vier Elemente und Himmelrichtungen, standen also für die Schöpfung.