München – Dick eingepackt mit Schal, Mütze und Handschuhen kommt Kerstin Neuhaus zum Gespräch. Wir treffen sie in einem kleinen Imbiss im Münchner Norden - während ihrer Mittagspause. Es gibt Kaffee. Kerstin Neuhaus ist 26 Jahre alt, hat kurze dunkle Haare trägt ein schwarzes Oberteil mit weißen Punkten und dazu einen roten Schal. Sie hat eine offene Art, wodurch es nicht schwer ist, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Es geht um den Poetry Slam „Was glaubst du?“ in der Münchner Kunsthalle. Neuhaus hat sich über einen Wettbewerb des Sankt Michaelsbundes einen Startplatz dafür gesichert. Mit ihrem Text „Entenherz“ hat die gebürtige Baden-Württembergerin die Jury überzeugt.
Aufregung vor dem Auftritt
Sie saß gerade beim Friseur; als sie von ihrem Sieg erfuhr und konnte es erstmal gar nicht fassen. Ein paar Tage vor dem Auftritt ist sie aufgeregt. Besonders deshalb, weil sie die anderen Slammer kennt: „Ich weiß, dass sie gut sind. Das sind echte Profis.“ Verstecken muss sich Kerstin Neuhaus hinter der Konkurrenz aber nicht. Auch sie hat 2015 schon an einer Handvoll Slams teilgenommen und Erfahrungen gesammelt. Außerdem hat sie bei Profi-Slammer Marco Michalzik einen Workshop besucht und dort gelernt, wie man Texte schreibt. Kurztexte und Gedichte verfasst sie schon, seit sie schreiben kann. Meist springt ihr ein Satz oder ein Begriff ins Auge, um den sie dann ihren Text strickt. Meist ist es nur eine „Kleinigkeit“.
Mit Stift und Papier
Thematisch ist die gläubige Christin nicht festgelegt, so schreibt sie auch christliche Texte, aber im Vergleich zu ihren anderen Texten sind sie die Minderheit. Früher hat sie ihre Text oft in einem Rutsch geschrieben, heute arbeitet sie „strukturierter“. So schreibt sie in mehreren Etappen: Nach einem ersten Entwurf lässt sie den Text ruhen, um dann Schritt für Schritt weiter an ihm zu arbeiten. Bei Gedichten arbeitet die junge Slammerin übrigens ganz analog mit Stift und Papier, bevor sie die Endfassung abtippt. Wenn der Text fertig ist, dann stellt sie sich dem Urteil ihrer Probeleserin: Das ist ihre vier Jahre ältere Schwester. „Ihr traue ich zu 100 Prozent“, sagt sie lächelnd.
Beim Poetry Slam „Was glaubst du?“ wird Kerstin Neuhaus mit ihrem Text „Entenherz“ auftreten. In dem Text geht es um einen Menschen, der überfordert ist und der sich die Frage stellt, ob es einen Gott gibt, obwohl viel Leid in der Welt herrscht. Die Antwort der Nachwuchs-Slammerin gibt es am Donnerstagabend, 26. Januar 2017, in der Kunsthalle München. Beginn: 20.30 Uhr. Es gibt noch Karten an der Abendkasse.
Neben dem Schreiben hat Kerstin Neuhaus eine weitere große Leidenschaft, die Musik. Und die geht ihr buchstäblich unter die Haut: Denn hinter ihrem linken Ohr hat sie sich einen Notenschlüssel tätowiert. Auf einen bestimmten Musikstil kann sie sich nicht festlegen: sie hört unterschiedliche Musikrichtungen - Schlager und Jazz gefällt ihr aber nicht. Für sie ist Musik „das Emotionalste“ was es gibt. „Ein Text erzählt eine Geschichte, während man in der Musik die Emotionen seiner eigenen Geschichte spürt.“, beschreibt sie.
Kunst weckt Emotionen
Neben ihrer beruflichen Tätigkeit in einem Schulungszentrum setzt sich Neuhaus auch bei der Organisation „Freethem Deutschland e.V.“ ein. Sie wollen auf die Situation von Menschenhandel, sexueller Ausbeutung und Prostitution aufmerksam zu machen. Diese Aufklärungsarbeit liegt Kerstin sehr am Herzen. So hat sie in ihrem Urlaub einige Woche für ein Projekt in Thailand gearbeitet und war dort für Frauen Ansprechpartnerin. Auch bei ihrer Arbeit in der Organisation kann sie ihre Kunst nutzen. So soll demnächst ein kleiner Film mit einer ihrer Texte entstehen, der dann für die Aufklärungsarbeit verwendet werden soll. Denn: “Mit Hilfe von Kunst kann man die Menschen anders erreichen“- davon ist Kerstin Neuhaus überzeugt. (Katharina Sichla)