Noch heute liest er in seiner Schulbibel, die er einst von seiner Großmutter bekommen hat. Bayerns oberster Polizist und Chef von rund 40.000 Beschäftigen der Polizei, Wilhelm Schmidbauer, nennt als Lieblingsstelle in der Bibel die Bergpredigt. „Das ist ein moralisches Fundament für eine gute Gesellschaft“, erklärt der Landespolizeipräsident. Markiert hat er allerdings keine Zeile in seiner Bibel, „das hat mir die Oma schon gesagt: Da darfst ja net umeinanderstreichen da drin“, lacht der 60-Jährige. Werte hat der Katholik von klein auf mitbekommen. „Das konservative Elternhaus, in dem ich behütet und christlich aufgewachsen bin, hat mich sehr geprägt“, blickt der Jurist und Bayerns oberster Polizist zurück. Sein Vater war ebenfalls Polizeibeamter, „er hat mir nicht nur seine beruflich-ethische Anschauung mitgegeben, sondern auch sein Werteverständnis“.
Glaube gibt Kraft
Ein Fundament, das Wilhelm Schmidbauer in seiner Arbeit auf vielfältige Weise hilft. Sein Lieblingsgebot ist „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, doch angesichts der schrecklichen Verbrechen, mit denen er seit Jahrzehnten konfrontiert wird, „neigt man nicht unbedingt zur Aussage, dass Nächstenliebe den Menschen angeboren ist“. Doch er kämpfe täglich darum, dass diese menschlichen, diese christlichen Werte, die von fundamentalem Interesse seien und auf die unser Staat stolz sein könne, auch realisiert würden. Und, ja, natürlich – trotz all dieser menschlichen Abgründe, mit denen ein Polizeibeamter täglich konfrontiert wird – glaubt er an Gott. Dieser Glaube gebe ihm auch die Kraft, die man für einen derartig anstrengenden Beruf benötige. Selbstverständlich bete er auch. „Insbesondere vor kritischen und anstrengenden Situationen spreche ich mit Gott“, verrät der Landespolizeipräsident, „vielleicht häufiger, als ich in die Kirche gehe.“ Aus beruflichen Gründen schaffe er es nicht mehr jeden Sonntag in den Gottesdienst. Sendet er auch Stoßgebete gen Himmel? „Natürlich gibt’s auch die“, lächelt er, „wenn die Herausforderung besonders kritisch ist – und zum Glück erhört Gott mich sehr häufig.“
Selbst in Krisensituationen ruhig
Wilhelm Schmidbauer bleibe aber selbst in Krisensituationen besonnen und ruhig, beschreiben ihn seine Mitarbeiter. Der promovierte Jurist poltert nicht. Hektik, Ungerechtigkeit und Oberflächlichkeit sind nicht Seins. Auch deshalb macht er sich grundsätzlich gerne persönlich ein Bild von der Lage – beispielsweise während der Flüchtlingskrise in Passau. Manche Aktionen allerdings werden öffentlich verurteilt. Als Münchner Polizeipräsident geriet Schmidbauer 2011 unter Beschuss, weil er sich vier Jahre zuvor von der lybischen Botschaft zu einem Essen mit dem Sohn des damaligen Herrschers Muammar al-Gaddafi im Bayerischen Hof hatte einladen lassen, um ihm „zu erklären, was wir von ihm erwarten, wenn er sich hier in München aufhält. Das war richtig, das sehe ich heute noch so“. Gaddafis Sohn, so die damalige Vermutung, sei in Kriegswaffenhandel verstrickt. „Es wurde ermittelt, es gab auch entsprechende Waffentransporte, aber dass Gaddafis Sohn der Auftraggeber war, konnte nicht nachgewiesen werden“, berichtet Schmidbauer. „Generell ist es für die Polizei schwierig, einen Auftrag gerichtsfest zu beweisen, wenn dieser nur mündlich erteilt wurde.“ Als 2011 öffentlich Kritik laut wurde, „konnten wir nicht alles offenlegen, was wir damals wussten, das lag an den entsprechenden Datenschutzvorschriften, die auch Täter schützen“.