Rosenheim/Fürstenfeldbruck - Als im Frühjahr 2020 die Seniorenheime wegen Corona von der Außenwelt abgeschottet wurden, war klar - für manche Bewohner beginnt damit nicht nur eine Phase des Alleinseins im eigenen Zimmer: keine Beschäftigungsangebote mehr, keine Besuche mehr von Verwandten und Freunden. Aus dem Alleinsein wurde für viele Heimbewohner bittere Einsamkeit. Im Prinzip hat sich seitdem nicht viel geändert: nur mit großen Einschränkungen dürfen Angehörige wieder zu Besuch kommen und auch Senioren-Seelsorgerinnen wie Beate Reimann (Pfarrverband Fürstenfeldbruck) und Adelheid Lappy (Stadtteilkirche Am Zug, Rosenheim) können die Heimbewohner nur an vereinbarten Terminen treffen.
Beide nehmen wahr, dass manchen Senioren in erster Linie die Aktionen in den Heimen (Musiktreff, Gymnastik, Spiele etc.) fehlen. Aber sehr viele Menschen hätten in den vergangenen zehn Monaten seit dem ersten Lockdown vor allem stark darunter gelitten, dass der Kontakt zu ihren Familien auf ein Minimum zurückgefahren wurde. Und die Schließung der Heime im Frühjahr hat Spuren hinterlassen: „Als ich nach der Öffnung wieder in die Heime kam, war ich erschüttert. Viele Bewohner mussten erst einige Minuten vergehen lassen, bis sie wieder sprechen konnten. Sie haben sich sehr gefreut, dass ich gekommen bin, als Bindeglied zur Welt „da draußen“, das hat ihnen wieder Hoffnung gegeben“, erzählt Beate Reimann. Die Fürstenfeldbrucker Pastoralreferentin ist seit Jahren für die Seniorenseelsorge in mehreren Heimen zuständig.
„Grausames Gefühl des Alleinseins“
Die beiden Theologinnen haben schon vor der Corona-Pandemie ihr Bestes getan, dass Alleinsein und Einsamkeit alten Menschen nicht ihren Lebensmut rauben. Den Satz „Wer glaubt, ist nie allein!“ sehen Lappy und Reimann mit gemischten Gefühlen. Es ist eine zentrale Aussage der Enzyklika "Lumen fidei", die der emeritierte Papst Benedikt XVI. zusammen mit seinem Nachfolger Papst Franziskus veröffentlicht hat. Natürlich könne dieser Satz bei gläubigen Menschen im Kopf eine Rolle spielen, erklärt Adelheid Lappy. Aber dieses grausame Gefühl des Alleinseins werde durch den Glauben nicht einfach weggenommen. Besonders dann, wenn bei einem Corona-Ausbruch auf der Station eine Zimmerquarantäne nötig sei, und selbst der Kontakt zum Pflegepersonal sich auf das Bringen des Essens und rasche Körperpflege beschränke. Und Beate Reimann ergänzt, ganz für sich allein sei das Leben nicht zu stemmen – und auch der Glaube nicht.
Die Rosenheimer Seniorin Elfriede Höfler gibt den beiden recht: „Glauben allein - das reicht nicht. Wir brauchen auch Menschen um uns. Eigentlich finden wir Gott nur über den Menschen.“ Die 89- jährige lebt seit 18 Jahren im Altenheim. Sie sitzt seit langem im Rollstuhl. Mit dem Elektrogefährt mache sie ihre Runden, erklärt Elfriede Höfler und halte so Kontakt zu ihren Kindern und Enkeln. Aber ohne sie wäre es furchtbar.
Etwas anders empfindet es die 81-jährige Christa Seidl, die alleine in ihrer Wohnung lebt. Sie fühlt sich nicht einsam, hält telefonisch Kontakt zu Kindern und Enkelkindern. Sie habe viele Reisen gemacht und manches Fotoalbum angelegt. „Die schaue ich mir immer wieder an. Und es ist, als würde ich da nochmal auf Reisen gehen.“ Der Glaube sei immer wie eine feste Burg gewesen, in der sie Halt gefunden habe und Sicherheit. Adelheid Lappy vermutet stark, dass Christa Seidl sich in Zeiten von Kontaktbeschränkungen in ihre Wohnung wie in eine Burg zurückgezogen habe.