Garmisch-Partenkirchen – Am Karfreitag fliegen die Glocken nach Rom, so heißt es. Deshalb schweigen sie bis zum Gloria in der Osternacht und verkünden nur noch die Uhrzeit. Um das fehlende Glockenläuten zu ersetzen, wird mancherorts das Karfreitagsratschen praktiziert. So ist es in der Pfarrkirche St. Martin in Garmisch-Partenkirchen seit Jahrzehnten ein Brauch, der von den ältesten Ministranten gepflegt wird.
Der 17-jährige Simon Kauschinger ist Oberministrant und organisiert das Ereignis heuer zum zweiten Mal. Wann man in der Pfarrei mit dem Ratschen angefangen hat, kann er nicht genau sagen. „Ich weiß nur, dass das älteste Instrument etwa 80 Jahre alt ist.“ Die Holzbretter sind mit einer Handkurbel versehen, die wiederum kleine Hämmer in Bewegung setzt.Die Ratschen befinden sich im Besitz verschiedener Einheimischer und werden schon Wochen vor Karfreitag eingesammelt und eingebaut.
Lärm vom Glockenturm
Die Ministranten putzen den Turm und prüfen die Haken an jedem der vier Fenster in der Etage unter dem Glockenstuhl. Das ist eine wichtige Maßnahme, denn vier Ratschen werden an den Fensterrahmen befestigt. Die Personen, die diese drehen, müssen mit Klettergurten gesichert werden. Dann steht dahinter der nächste Ratscher parat. Eine große Turmratsche in der Mitte bildet das Zentrum. Sie wird von bis zu fünf Personen im Wechsel betrieben. Neun Lärminstrumente sind es also mindestens, die so ihren schnarrenden Schall vom Glockenturm aus weit über die Dächer tragen werden.
Genauer Drehplan
Zur Grundbesetzung kommen übrigens oft noch ehemalige Minstranten, so genannte Gastratscher, hinzu. Es gilt das Credo: einmal Ratscher, immer Ratscher. Am Karfreitag starten die Ministranten um sechs Uhr morgens das erste Spektakel. Danach trifft man sich zum traditionellen Ratscherfrühstück. Von da an sind der Freitag und der Karsamstag genau durchgetaktet. In insgesamt vierzehn Durchgängen wird geratscht, was das Zeug hält. Manchmal dröhnen alle Instrumente gleichzeitig, manchmal wechselt man sich ab. Hierzu gibt es einen genauen Drehplan. In den freien Zeiten gehen die Ministranten von Haus zu Haus und sammeln Ratschengeld. Das haben sie sich auch verdient, denn das schnelle Drehen an den Instrumenten und die Witterung im Turm sind körperlich sehr anstrengend.
Die Highlights erlebt der Zuhörer jeweils um 12 Uhr. Ganze 14 Minuten dauert das Spektakel dann. „Im Optimalfall bekommen wir es zeitlich so hin, dass wir genau zum Schlagen der Turmuhr fertig sind“, erklärt Kauschinger. Die Ratschen an den vier Fenstern sind übrigens nur den Ältesten vorbehalten, tragen deren Namen und werden nach dem Ausscheiden des Besitzers „weitervererbt“. An wen das Kauschinger-Fenster, das nach Osten zeigt, einmal übergeben werden soll, das weiß er selbst noch nicht so genau. (Beate Berger)
Die drei österlichen Tage
Die Zeitspanne zwischen der Messe vom Letzten Abendmahl am Gründonnerstag bis zum Ostersonntag wird in der katholischen Kirche auch als "die drei österlichen Tage" bezeichnet. Der Karfreitag, dem Tag des Leidens und Sterbens des Herrn, der Karsamstag als Tag der Grabesruhe und der Ostersonntag, Tag der Auferstehung, gilt als ein einziges Hochfest. Es ist der Höhenpunkt im Kirchenjahr der katholischen Kirche. Am Gründonnerstag verstummen Orgel und Glocken; nach der Messfeier werden Blumenschmuck und Kerzen abgeräumt. Erst in der Osternacht erklingt wieder die Orgel.