Sein Vater hinterließ ihm ein zweistöckiges Haus mit einem kleinen Vorgarten und die Entscheidung für ihn war gefallen: Pater Mamdouh gründete eine Schule für geistig behinderte Kinder in seiner Heimatstadt Beith Sahour, die zum Bezirk Bethlehem gehört. Der griechisch-katholische Priester und seine Frau Randa haben sich mit der „Schule der Freude“ eine Lebensaufgabe gestellt – nur einige wenige Spender unterstützen sie.
Bethlehem könnte eigentlich ein Stadtteil der Millionenstadt Jerusalem sein, wenn, ja wenn es nur diese Grenze zwischen Israel und den „Palästinensischen Gebieten“ nicht gäbe. Es sind nur 13 Kilometer, aber es dauert über eine halbe Stunde Fahrtzeit, weil Kontrollen den Weg in die Geburtsstadt Jesu versperren. Hier der geordnete Sozialstaat, dort die Heilige Stadt des Christentums zwischen allen Stühlen. Israel und Palästinenser reden nicht miteinander, dafür schießen sie oft aufeinander. Christen und Moslems in Bethlehem sind sich auch nicht grün. Es geht um Vorherrschaft und immer um Geld in der mindestens zweitausendjährigen Stadt, die hunderttausende Christen jedes Jahr aus aller Welt anlockt.
Hilfe für die Ärmsten der Armen
Hier ist Mamdouh Abu Saida geboren, genau in Beith Sahour, in der 12.000-Seelen-Gemeinde, die zum Bezirk Bethlehem gehört mit seinen insgesamt 50.000 Einwohnern. Hier wurde er zum Priester ausgebildet und hier liegt seine Kirche, in der er jeden Sonntag die Messe liest. Er selbst hat sechs gesunde Kinder, die alle eine gute Ausbildung – die meisten als Lehrer – bekommen haben. Pater Mamdouh wusste schon als Student: in seiner Gemeinde gibt es zu viele Familien, die ihre behinderten Kinder verstecken, ihnen eine Schulzeit verweigern, verweigern müssen. Denn um die Ärmsten der Armen kümmert sich hier niemand.
Bis 1998, als der heute 63-Jährige die „School of Joy“ gründete, nach Ramallah fuhr, wo der Regierungssitz der Palästinenser-Führung liegt und eine Lehrgenehmigung für behinderte Kinder zwischen sechs und 15 Jahren beantragte. Das Ministerium gab ihm grünes Licht, aber kein Geld. Und mit dem Geld, das er nicht hatte, bekam er die Auflage, die Schulbücher des Ministeriums zu kaufen, möglichst in bar. Das erste Schuljahr begann er mit sieben Kindern, die er am Vormittag unterrichtete.
"Jedes Kind hat sein eigenes Schicksal"
Am Nachmittag suchte er Spender. Heute unterrichtet die Schule 70 Kinder aus der Region in fünf Klassen mit acht Lehrerinnen, ein Kind kommt täglich aus dem 40 Minuten entfernt liegenden Hebron – mit dem Taxi. Jedes Kind hat sein eigenes Schicksal. Das Mädchen Rana kann nur im Stehen lernen und zappelt unentwegt, Achmed ist taub geboren, erst mit sechs Jahren fand man heraus, dass er fast nichts hörte. Deshalb bekam er ein Hörgerät – von der „Schule der Freude“.
Assi ist emotional gestört, nur teilweise ansprechbar. Aber, wenn um 13 Uhr die Schulglocke das Unterrichtsende einläutet, laufen sie – so gut sie können – in Pater Mamdouhs Büro und greifen in den Schokokugelkorb bevor sie in den 19-Sitzer-Bus – von einem Autokonzern aus Stuttgart teilweise gespendet – steigen, der sie durch die schmalen staubigen Gassen nach Hause fährt.
Knappes Budget
126.000 US-Dollar beträgt das Budget für dieses Schuljahr. Am 1. September, wenn die Lehrerinnen mit dem Unterricht in Mathe, Englisch, Nahrungsmittelkunde, christlicher und moslemischer Religion beginnen, weiß niemand, ob die Gehälter in diesem Schuljahr regelmäßig ausbezahlt werden können. Musik-Unterricht fällt aus finanziellen Gründen aus und Sport heißt in der „Schule der Freude“ Basketball spielen unter einem zerfetzten Korb. Manchmal rollt der Fußball auf einem Hartplatz, der etwas größer ist als ein Wohnzimmer.
Die neueste Errungenschaft ist ein Kunstrasen vor der Schule mit einer Pergola über einem Holztisch mit Bänken, umrahmt von einem Metall-Sicherheitszaun, damit kein Kind auf die Straße läuft. Schön angelegt wurde das Areal, weil ein „Robert Foskett, UK“ eintausend englische Pfund gespendet hat. Das Geld reicht noch für belegte Brote in der 11-Uhr-Pause, die Mamdouhs Frau Randa in der Schulküche eigenhändig mit Humus-Creme streicht.
Dennoch: Pater Mamdouh und die Lehrerinnen Doha, Rasha, Marina, Haifa, Shirin und Ola haben gute Laune und strahlen Zuversicht aus. Es sind „ihre“ 70 Kinder, denen sie im Kultur-Unterricht beibringen, dass alle Menschen Geschöpfe Gottes sind, unabhängig ihrer Herkunft, Religion und Hautfarbe. „Bildung mit Herzenswärme anbieten, ist der sicherste Weg, Barrieren zwischen Menschen und Völker einzureißen“, sagt der Pater. Er weiß, dass dieses Ziel in weiter Ferne liegt. Aber niemand benötigt diesen Rat mehr als Kinder im Nahen Osten. (Godel Rosenberg)