München – Pater Hans Zollner SJ ist derzeit ein gefragter Mann. In Zeiten, in denen das Thema sexueller Missbrauch die katholische Kirche immer noch beschäftigt wie kaum ein anderes, wird der Kinderschutz-Experte des Vatikans weltweit für Vorträge zur Prävention von Missbrauch angefragt. Nun war der gebürtige Regensburger mal wieder in München zu Gast, bei der „Deutschsprachigen Konferenz zur Prävention sexualisierter Gewalt im Bereich der katholischen Kirche“. Dabei sprach sich der Generalvikar des Erzbistums München und Freising, Peter Beer, dafür aus, die Präventionsarbeit in der Kirche aufzuwerten und stärker auf die systemischen Ursachen sexuellen Missbrauchs auszurichten.
Pater Zollner sieht die Präventionsarbeit in Deutschland auf einem guten Weg. „Flächendeckend Präventionsbeauftragte in allen Bistümern zu haben, so etwas Vergleichbares gibt es in keiner anderen Institution“, betont der Psychologieprofessor und Psychotherapeut. Zollner führt dies auch auf den Druck der Öffentlichkeit in Deutschland zurück, ohne den sich die Kirche „wohl nicht“ so bewegt hätte. Auch deshalb – und auch aus geschichtlichen Gründen – stehe es der Kirche in Deutschland nicht zu, gegenüber anderen Ortskirchen als „großer Lehrmeister“ aufzutreten. Schließlich sei das Thema vor dem Missbrauchsskandal von 2010 in kirchlichen Kreisen auch hierzulande ein Tabu gewesen.
Kirchenrecht verschärft
Damit der Kampf gegen sexuellen Missbrauch aber weltweit besser gelingt, hat Papst Franziskus im Nachgang des Anti-Missbrauchsgipfels im Vatikan das Kirchenrecht verschärft. Das „Motu Proprio“ des Papstes beinhaltete unter anderem erstmals Regeln für Untersuchungen gegen Bischöfe oder Kirchenobere, die Ermittlungen im Bereich Missbrauch vertuscht oder verschleppt haben. Zudem verpflichtete Franziskus alle Bistümer dazu, bis Juni 2020 ein leicht zugängliches Meldesystem für Anzeigen einzurichten. „Das sind viele Dinge, die wir uns seit Jahren gewünscht haben“, erklärt der Jesuit. Das „wir“ bezieht sich in Zollners Fall auf das Kinderschutzzentrum an der Päpstlichen Universität Gregoriana, das der Jesuit leitet, und das auch mit Mitteln des Erzbistums München und Freising unterstützt wird.
Kritik am Gesetz des Papstes gab es von Betroffenen, die beklagten, dass es nicht automatisch eine Meldepflicht bei Missbrauchsfällen an staatliche Behörden umfasse. Dies sei laut Pater Zollner darauf zurückzuführen, dass die katholische Kirche als weltumspannende Organisation in unterschiedlichen Ländern auf unterschiedliche rechtliche Gegebenheiten treffe. Zudem könne man in vielen Staaten nicht davon ausgehen, „dass Justiz und Polizei gerecht und unvoreingenommen aufklären“.
Keine generelle Anzeigepflicht
Auch in Deutschland gibt es von staatlicher Seite aus – ganz unabhängig vom kirchlichen Bereich – keine generelle Anzeigepflicht bei sexuellem Missbrauch. „Das heißt aber nicht, dass ich es in solchen Fällen nicht tun könnte oder sogar müsste. Die moralische Verpflichtung ist ebenso mit zu bedenken“, betont Zollner.
Dass die Kirche in Sachen weltweiter Prävention noch einen langen Weg vor sich hat, zeigt sich derzeit in unserem Nachbarland Polen. Dort sorgt ein Dokumentarfilm über sexuellen Kindesmissbrauch durch katholische Priester für großes Entsetzen. Polens Bischöfe haben Mängel beim Kinderschutz eingestanden. Und Pater Zollner hofft, dass die Kirche dort nun nicht dieselben Fehler begeht wie so viele andere Ortskirchen vor ihr, sondern wirklich vorbehaltlos aufklärt.