mk online: Pfarrer Schießler, wie kam es zu dem Titel?
Das war ein sehr gängiger Ausspruch in meiner Familie - sowohl von meinem Vater, als auch von meiner Mutter. Und zwar in allen Situationen, wenn etwas geglückt ist, aber auch in Momenten der Verzweiflung. In diesem Buch geht es ja darum, dass wir mit unserer Kirche in einer ganz schwierigen Lage sind, im Grunde sind wir schon längst über zwölf Uhr hinaus. Meine Mutter würde da eben sagen: Jessas, Maria und Josef, wie sieht‘s denn hier aus?
mk online: Gleich zu Beginn Ihres Buches thematisieren Sie den Zölibat. Ist das aktuell eines der entscheidenden Probleme der katholischen Kirche?
Wir haben so einen Reformstau, dass wir gar kein Ranking mehr aufmachen können, was das größte Problem ist. Fakt ist auf alle Fälle, dass der Berufstand des Priesters mit der pflichtgemäßen Einhaltung des Zölibats nicht mehr attraktiv ist. Die Priesterseminare sind leer. Und immer mehr Bischöfe äußern sich auch in diese Richtung. Es geht definitiv um die Abschaffung des Zölibats. Sie muss nichts abschaffen. Sie soll sich öffnen für neue, andere Wege! Ich kann nicht verstehen, dass wir die Möglichkeit der Existenzform eines verheirateten Priesters kategorisch ausschließen, obwohl wir gar keine sinnvollen Argumente dagegen haben.
mk online: Sie schreiben in Ihrem Buch ganz ehrlich, dass Sie einige Zeit unter der Einsamkeit des Zölibats auch sehr gelitten haben. Was hat Ihnen da rausgeholfen?
Mir haben Menschen aus diesem Tief geholfen, die gemerkt haben, dass es mir nicht gut geht. Das waren Gemeindemitglieder und Freunde. Das größte Problem ist nicht der Zölibat als solches, sondern das Alleingelassen werden mit dieser Lebensform. Auch mit der ganzen Fülle der Aufgaben. Auch Menschen die zölibatär leben, brauchen die Einbindung in eine Gemeinschaft.
mk online: Wo muss sich die Kirche noch ändern?
Der Weg in die Zukunft lautet Glaubwürdigkeit. Wir müssen die Menschen wieder begeistern und für etwas gewinnen können und wir müssen alle Menschen annehmen ohne Vorbehalte und niemanden wegschicken.
mk onine: Wie geht es Ihnen, wenn Sie den Brief mit den Austrittszahlen aus ihrer Gemeinde bekommen?
Ich schau mir das immer ganz genau durch. Wenn ich jemanden kenne, dann scheibe ich demjenigen einen persönlichen Brief. Es ist für mich, als hätte ich ein Geschäft und die Kundschaft kommt und sagt: Bei Ihnen kaufe ich nicht mehr ein. Ich habe Kunden verloren, ich habe Mitarbeiter verloren und ich habe Freunde verloren. Klar gibt es auch Kircheneintritte und Taufen. Aber jeder Einzelne der geht ist ein großer Verlust für mich und meine Gemeinde.
mk online: Ihr letztes Buch war ein absoluter Bestseller, wie hat sich das angefühlt?
Ich war sehr überrascht, ich habe keine Ahnung gehabt, wie der Buchmarkt so funktioniert. Mich hat vor allem auch sehr erstaunt, dass die Lesungen immer so voll waren. Ich habe dabei gemerkt, dass die Menschen auch das große Bedürfnis hatten, Fragen zu stellen, die sie woanders offenbar so sonst nicht stellen können.
mk online: Sie sind jetzt seit 25 Jahren in Sankt Maximilian im Glockenbachviertel haben Sie, als Sie die Stelle angetreten haben, damit gerechnet?
Nein, mir war oft zum Davonlaufen und meine Gemeinde hätte mich bestimmt auch oft gerne auf den Mond geschossen. Wir haben beides nicht gemacht. Natürlich gibt es immer wieder Konflikte und ich habe auch einige Riesenfehler gemacht. Aber ein großer Teil der Gemeinde ist geblieben und wir haben zusammengehalten. Wir haben bis heute gute Ideen und begeistern die Menschen. Sankt Maximilian ist zum Glück jeden Sonntag voll. (Das Interview führte Cathrin Schreiber, stellvertrende CvD Radioredaktion)
Podcast-Tipp
7§§Die Pfarrer Rainer Maria Schießler und Thomas Frings trafen sich für die Sendung "Hauptsache Mensch". Sie sprachen über die Zukunft der Kirche und die Kirche der Zukunft.§§ Hier geht es zum Podcast.