mk online: Die Veröffentlichung der Instruktion der Kleruskongregation hat für viel Aufsehen in Deutschland gesorgt. Viel Kritik wurde laut. War diese , Ihrer Meinung nach, gerechtfertigt?
Prof. Dr. Stephan Haering: Ich war etwas überrascht, dass kritische Stimmen laut geworden sind. Ich konnte mich zunächst nicht mit dem Dokument befassen. Aber nachdem ich es gelesen hatte, musste ich feststellen: Es veranschaulicht die Bestimmungen des allgemeinen kirchlichen Rechts. Das Dokument beinhaltet nichts Neues. Die Instruktion setzt insoweit einen Akzent, dass die missionarische Funktion der Pfarrei besonders hervorgehoben wird.
Inwiefern ist eine solche Instruktion bindend?
Haering: Eine Instruktion hat einen speziellen rechtlichen Charakter. Sie ist eine Anweisung an diejenigen, die rechtliche Bestimmungen anzuwenden haben. Die Instruktion gibt ihnen eine Richtschnur, wie das zu geschehen hat. Das heißt: Die Instruktion ist kein allgemeines Gesetz, das für Sie und mich gilt. Vielmehr ist sie eine Handlungsanweisung für diejenigen die eine partikulare Ordnungen schaffen wie ein Gesetzgeber auf diözesaner Ebene, oder auch diejenigen, die berechtigt sind, Verwaltungsverordnungen zu erlassen. Diese müssen sich an den Inhalten der Instruktion orientieren. Die Instruktion schafft - wie gesagt - kein neues Recht. Sie gibt Klarstellungen im Hinblick auf die Anwendungen geltenden Rechts.
Viele Bischöfe in Deutschland haben das Dokument kritisiert. Welche Möglichkeiten haben denn die Ortsbischöfe, sich gegen eine solche Instruktion zu stellen?
Haering: Die Instruktion, die vom Apostolischen Stuhl kommt, beinhaltet zunächst einmal geltendes Recht. Man kann Einwände erheben, wenn man das für unangemessen oder für nicht praktikabel hält. Vielleicht ist manches aus praktischen Gründen gar nicht anwendbar: Niemand kann zum Unmöglichen verpflichtet werden. Es besteht die Möglichkeit, sich an den Apostolischen Stuhl zu wenden und die Gründe, die dagegen sprechen, zu nennen.
Jetzt haben wir zunächst formal über die Instruktion gesprochen. Wenn wir uns nun dem Inhalt zuwenden. Was ist für Sie die Kernaussage dieses Schreibens?
Haering: Die Kernaussage des Schreibens besteht wohl schon darin, dass der missionarische Akzent bei allen kirchlichen Strukturdebatten nicht aus dem Blick geraten darf. Das ist das Besondere an diesem Dokument. Dann betont das Schreiben natürlich auch die sakramentale Struktur der Kirche und den Gedanken, dass der die Leitung wahrnimmt, der sakramental dazu befähigt ist. Das droht, in der Diskussion bei uns ein bisschen aus dem Blick zu geraten. Das heißt nicht, dass Leitung ausschließlich von Klerikern - von Priestern und Bischöfen - ausgeübt werden darf. Es können auch andere Gläubige daran beteiligt werden. Aber ohne diesen sakramentalen Rückhalt von Leitung geht es eben nicht.