Seit einigen Jahren haben wir in unserer Andechser Wallfahrtskirche keinen Adventskranz mehr. Ein abgehauener Baumstamm mit Wurzelstock steht in der Mitte der Kirche, an dem an jedem Adventssonntag eine neue Kerze entzündet wird. Dieser erinnert an die Prophetie des Jesaja, dass aus der Wurzel Jesse ein neuer Reis hervorwächst (vgl. Jes 11,1). Das Bild, das auf Jesus gedeutet wird, ist uns vertraut, wenn wir an Weihnachten wieder singen werden: „Es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart“.
Abbruch und Umbruch
Zunächst ist ein Baumstumpf ein Zeichen des gewaltsamen Abbruchs, wenn man daran denkt, welche Kraft nötig ist, um einen Baum zu fällen. Auch ist es kein besonders schöner Anblick, wenn ein Wald frisch gerodet wurde. Das gleicht eher einer Verwüstung. Letztlich ist das die Erfahrung des Volkes Israels. Eine falsche Bündnispolitik hat es in den Ruin getrieben. Aus der Auseinandersetzung mit dem mächtigen Babylon ist es als Verlierer herausgegangen. Das Land wurde verwüstet, der Tempel zerstört. Ein großer Teil des Volkes muss nun sein Dasein im Exil fristen. Inmitten dieser schrecklichen Erfahrungen spricht Jesaja vom neuen Leben, das zart und fein wie ein junger Trieb aus einem Baumstumpf emporwächst. Aber was ist das im Blick auf die glorreiche Vergangenheit?
Auch wir erleben zurzeit viele kirchliche Umbrüche. Die Zahlen der aktiven Christen nehmen kontinuierlich ab. Die gesellschaftliche Glaubenspraxis verdunstet stetig. Bestehende Strukturen werden in Frage gestellt, Klöster und andere Einrichtungen werden geschlossen. Christlicher Glaube ist zunehmend etwas für Exoten. Werden wir ins Exil geführt?