Noah hatte einen Vogel. Genauer gesagt, zwei: einen Raben und eine Taube. Der Rabe hätte berühmt werden können. Doch als er nach der Sintflut aus dem Fenster der Arche freigelassen wurde, flatterte er nur hilflos in der Luft. Der erste Versuch der Taube war zwar auch nicht erfolgreicher, bei ihrem dritten Flug kehrte sie aber nicht mehr zur Arche zurück und zeigte so das Ende der Flutkatastrophe an. Wirklich bekannt geworden ist sie jedoch für den zweiten Flug, von dem sie einen Olivenzweig zur Arche zurückbrachte.
Schwieriges Verhältnis zum Menschen
Bei dieser Taube dürfte es sich um ein Männchen gehandelt haben. „Sie bringen den Weibchen kleine Zweige und Strohhalme als Geschenke“, erklärt Viola Dziuba, Taubenzüchterin aus München. So entstehen die einfachen Nester, die man so ungern auf dem eigenen Balkon findet. In der Stadt gelten die Vögel als fliegendes Ungeziefer, als Ratten der Lüfte. Völlig zu Unrecht, findet Dziuba.
Eigentlich handelt es sich bei den Stadttauben um verwilderte Brief- und Haustauben. Diese sind wiederum eine domestizierte Form der wild lebenden Felsentaube. „Sie sind nur so dreckig wie die Stadt, in der sie leben.“ Die 51-Jährige züchtet seit ihrer Kindheit. Mit sieben bekam sie ihr erstes Taubenpärchen. Mit dem Nordkaukasischen Positurtümmler wurde sie Zucht-Europameisterin. Sie weiß, dass Tauben eigentlich sehr reinlich sind.
Und nicht nur die Körperpflege beherrschen die Tiere: Sie sind widerstandsfähig, ausgezeichnete Flieger und gelten mit ihrer weltweiten Verbreitung als eines an den Lebensraum des Menschen am besten angepassten Lebewesen überhaupt. Evolutionär betrachtet ein echter Überflieger!
Vogel der Liebe
Wirklich punkten können Tauben mit diesen Eigenschaften aber bei den Wenigsten. Wenn Menschen über die negativen Gefühle gegenüber den Vögeln hinwegsehen können, dann vor allem bei Hochzeiten. Nach der Trauung weiße Tauben fliegen zu lassen, gilt als besonders romantisch. Die Ursprünge dafür lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen, erklärt Kunsthistorikerin Anna-Laura Iglesia vom Diözesanmuseum in Freising: „Damals galten Tauben, weil sie ihren Partnern ein Leben lang treu bleiben, als die Vögel der Liebesgöttin Aphrodite.“
Eine Zuschreibung, die sie sich aber nur halb verdient haben. Zwar gehen die Vögel tatsächlich in den meisten Fällen eine monogame Partnerschaft ein, Seitensprünge und Affären kommen hier aber genauso vor wie Trennungen, sagt Dziuba. Das Beziehungsleben der Tiere ähnelt dem des Menschen in vielen Punkten. Auch homosexuelle Partnerschaften kommen vor. „Bei den Weibchen erkennt man das einfach daran, dass in manchen Nestern vier Eier liegen, aber nie ein Junges schlüpft“, so die Züchterin.
Vogel Gottes
In der Bibel hat die Taube nach der Sintflut ihren nächsten großen Auftritt erst wieder im Neuen Testament. Der Evangelist Markus berichtet, wie bei der Taufe Jesu im Jordan „der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam“. Ein Ereignis, das bleibenden Eindruck hinterlassen hat und die Vorstellung vom Heiligen Geist noch stärker prägte als das Pfingsterlebnis. „Wahrscheinlich weil die Taube einfach etwas plakativer ist als die Flammenzungen“, vermutet Kunsthistorikerin Iglesia.