mk online: Als am Freitag, 13. März, der Corona-Lockdown eintrat, wo waren Sie da gerade?
Georg Falterbaum: Das weiß ich noch ganz genau: Ich saß in einer Task Force, die sich genau mit diesem Thema beschäftigte, und wir berieten gerade, was wir tun würden, wenn der Lockdown eintreten würde. Da erhielten wir die Nachricht, dass es nun tatsächlich so weit war. Dass der Lockdown letztlich in dieser Geschwindigkeit und Radikalität kam, hat uns alle überrascht.
mk online: Was ging Ihnen in diesem Moment durch den Kopf?
Falterbaum: Ich dachte: „Oh Gott, oh Gott, oh Gott, was mag das alles bedeuten?“ Es hatte ja Auswirkungen auf alle unsere Dienste und Einrichtungen und es gab hierfür keine Blaupause. Wir hatten keinerlei Erfahrung, wie man in einer solchen Situation agieren kann. So setzten wir uns also wieder zusammen und sagten: „Was tun wir jetzt konkret?“ Es wurde eine hochspannende Sitzung.
mk online: Was waren die ersten Sofortmaßnahmen, die von Ihnen eingeleitet wurden?
Falterbaum: Wir haben die amtlichen Vorschriften, die erlassen worden sind, selbstverständlich umgesetzt. Das ging alles sehr kurzfristig und war mitunter hochproblematisch, insbesondere die Besuchseinschränkungen in den stationären Einrichtungen und den Kindertagesstätten machten uns zu schaffen.
mk online: Wie sah von da an das Tagesgeschäft im Verband und im Vorstand aus?
Falterbaum: Unsere Task Force wurde institutionalisiert, wir haben uns ab diesem 13. März zunächst täglich getroffen. In diesem Kreis waren Einrichtungsvertreter, Mitarbeiter aus der Verwaltung, Juristen und Personalvertreter mit dabei. Wir haben täglich gemeinsam die Situation analysiert, die notwendigen Maßnahmen beschlossen und dann zur Umsetzung freigegeben. In der Regel kamen wir tatsächlich unter Einhaltung der Abstandsgebote physisch hier im Verwaltungsgebäude an der Hirtenstraße zusammen. Wenn jemand nicht live mit dabei sein konnte, haben wir ihn online dazugeschaltet. Später brauchten wir uns dann nur noch einmal pro Woche zu treffen, mittlerweile kommen wir einmal alle zwei Wochen zusammen, weil wir inzwischen auch zu einer gewissen Routine gelangt sind. Im Vorstand hatten wir uns in der Hochphase darauf geeinigt, dass von uns dreien abwechselnd immer zwei vor Ort sind und einer im Homeoffice ist. Weil in unseren Büro-Räumen die Abstandsgebote sonst nicht aufrechtzuerhalten gewesen wären, wurde auch von unseren Mitarbeitern viel Homeoffice praktiziert – dies zu ermöglichen war ebenfalls eine riesige Herausforderung. Aber ich war überrascht, wie relativ unkompliziert es letztlich trotz aller Schwierigkeiten geklappt hat. Da gehen mein Lob und Kompliment an unsere Mitarbeitenden.
mk online: Lassen Sie uns den Blick auf einige Caritas-Bereiche werfen, die von den Corona-Maßnahmen in ganz besonderer Weise betroffen waren und immer noch sind, Stichwort Altenheime. Bereuen Sie hier im Nachhinein irgendeine Maßnahme?
Falterbaum: „Bereuen“ ist das falsche Wort. Wir bedauern es, dass wir die – zweifellos notwendigen – Abstandsgebote haben umsetzen müssen. Wenn es darum geht, Menschen zu begleiten, ist persönliche Nähe einfach sehr wichtig, wenn nicht unabdingbar, vor allem bei alten Menschen. „Social Distancing“ ist das genaue Gegenteil von unserem Credo „Nah. Am Nächsten“. Das war eine große Herausforderung für die Bewohner, die keinen Besuch in der gewohnten Form mehr empfangen durften. Aber auch für die Mitarbeiter, die für die Koordination und die Einhaltung aller Vorschriften sorgen und teilweise natürlich auch Besucher abweisen mussten. Darüber hinaus haben sie auch den fehlenden Kontakt, der sonst durch die Angehörigen gewährleistet wird, ausgeglichen. Dies führte zu einer deutlich höheren Arbeitsbelastung. Glücklicherweise meldeten sich Caritas-Mitarbeiter aus anderen Bereichen, in denen die Belastung zu dieser Phase nicht so hoch oder wo die Arbeit vorübergehend eingestellt worden war, wie etwa die Schulbegleiter. Diese und viele andere gingen in Altenheime, um dort Tätigkeiten zu übernehmen, wie die Begleitung der Bewohner oder die Information und Koordination von Besuchern und Angehörigen. mk online: Kamen Beschwerden von Angehörigen auf Ihren Schreibtisch? Falterbaum: Zum Glück relativ wenige. Das deutet darauf hin, dass bereits vor Ort mit viel Engagement Überzeugungsarbeit geleistet worden ist. Das war ja alles kein Wunsch von uns oder reiner Selbstzweck, dass die Besuche eingeschränkt werden mussten. Die allermeisten Besucher und Angehörigen haben Verständnis für die Maßnahmen gezeigt und die Regelungen akzeptiert.