Schuld – im Horizont Gottes: Sünde – hat viele Gesichter und Facetten. Die Bandbreite, was damit verbunden wird, könnte kaum größer sein: von banalen Kleinigkeiten über aufgebauschte mediale Skandalisierungen bis hin zur existenziellen Schwere, die auf einem Schuldigen lastet und das Leben zu erdrücken droht. Aber auch die Art und Weise, wie Schuld erlebt und verarbeitet wird, ist ganz unterschiedlich. Wenn man mit eigener Schuld konfrontiert wird, kann man ganz verschieden reagieren: verharmlosen, verleugnen, andere beschuldigen, Schuld ernst nehmen, verzweifeln, bestürzt sein, bereuen.
Aus moraltheologischer Sicht kann Schuld in einer bewussten schädlichen, destruktiven Tat bestehen, aber auch in Nachlässigkeit und im Unterlassen dessen, was erforderlich gewesen wäre; man bleibt dann einem etwas schuldig. Schuld kann sich ferner auf das Resultat beziehen, also auf das, was aus einer begangenen schuldhaften Handlung oder einem Unterlassen erfolgt. Schuld bedeutet dann, dass jemand daran schuld, dafür verantwortlich ist. Es bedeutet, dass das Handeln beziehungsweise Unterlassen einer Person zurechenbar ist und diese hätte anders handeln können. Und schließlich kann Schuld sich auch auf den Charakter einer Person beziehen, darauf, wie jemand seine Persönlichkeit und sein Gewissen bildet, ob man Gutes tun und Schlechtes meiden möchte und ob man achtsam, aufmerksam und sorgsam, mutig, klug, tapfer, maßvoll und gerecht, oder kurz gesagt: verantwortlich sein Leben zu gestalten und zu führen bereit ist.
Wenngleich es viele Beweggründe und Erklärungen dafür geben kann, warum jemand eine bestimmte Schuld auf sich geladen hat, gilt: Wenn man im moralischen Sinne von Schuld spricht, geht man stets davon aus, dass die Person in dem Sinne frei war, dass sie zumindest anders hätte handeln können und das Schlechte hätte einsehen können. Um schuldigwerden zu können, bedarf es dieser Voraussetzungen. Ansonsten könnte man der Person die Schuld nicht wirklich zurechnen; man hätte gute Gründe, die Person von der Schuld freizusprechen, sie zu entschuldigen.
Erfahrungen prägen Umgang mit Schuld
Alle Menschen kennen die Erfahrung von Schuld, sowohl als jemand, der Schuld begangen hat, wie auch als jemand, der Schuld erlitten hat. Darin sind alle Menschen vereint. Wie man jedoch mit Schuld umgeht, hängt nicht nur davon ab, was man genau begangen oder erlitten hat und worin die Schuld besteht, sondern auch davon, welches Bild man von sich selbst hat und wie sehr man sich grundsätzlich wertgeschätzt fühlt, welche Erfahrungen man im Umgang mit Schuld gemacht hat, welche Vorbilder man im eigenen Leben kennt, die einem zeigen, wie man mit begangener und erlittener Schuld gut und konstruktiv umgehen kann, und auch davon, dass es Menschen gibt, die einem beistehen und begleiten und die Hoffnung vermitteln, dass Schuld nicht das letzte Wort hat, sondern Vergebung und Versöhnung möglich sind.