Wer wie ich Rahner-Fan ist, kennt natürlich den Artikel „Warum lässt uns Gott leiden?“ – ein Vortrag aus dem Jahr 1980. Karl Rahner SJ (1904 – 1984) referiert darin alle klassischen Antwortversuche, die quer durch die Geschichte gegeben wurden – und mehr oder weniger überzeugten. Der Artikel endet mit der von Eugen Biser († 2014) festgehaltenen Schilderung des Besuchs des Publizisten Walter Dirks († 1991) bei dem sterbenskranken Romano Guardini († 1968): Dieser habe dem Besucher gesagt, er werde sich „im Letzten Gericht nicht nur fragen lassen, sondern auch selber fragen; er hoffe in Zuversicht, dass ihm dann der Engel die wahre Antwort nicht versagen werde auf die Frage, die ihm kein Buch, auch die Schrift selber nicht, die ihm kein Dogma und kein Lehramt, die ihm keine ‚Theodizee‘ und Theologie, auch die eigene nicht, habe beantworten können: Warum, Gott, zum Heil die fürchterlichen Umwege, das Leid der Unschuldigen, die Schuld?“
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Hier ist der Fachbegriff gefallen: Theodizee – die „Rechtfertigung Gottes“ (griechisch theos = Gott; dike/dikaia = Recht). Er besagt ursprünglich den (mindestens negativen) Nachweis durch die gläubige oder die philosophische Vernunft, dass das Übel in der Welt die Überzeugung der Existenz eines vollkommenen und guten Gottes nicht aufhebt.
Selbst das als sehr katholisch geltende Argument, Gott wolle Menschen durch Leid prüfen und reifen lassen („eine große Wahrheit in sich, die hier gewiss nicht bagatellisiert oder verdunkelt werden soll“), lässt Rahner nicht als letzte, hinreichende Antwort gelten. Hinter alle traditionellen Antworten könne man theologie-geschichtliche Exkurse stellen. Rahner will aber nicht mit Wissen beeindrucken. „Es ist“, so der Jesuitentheologe, „in der Praxis unserer Existenz eben doch so, dass die Annahme Gottes als des unverfügbaren Geheimnisses und die schweigende Annahme der Unerklärlichkeit und Unbeantwortbarkeit des Leides derselbe Vorgang sind.“