Jetzt lächeln sie mich wieder an, manchmal schauen mir ernst entgegen. In rund vier Wochen ist Bundestagswahl: die Politiker und Politikerinnen auf den Wahlplakaten wollen wieder oder auch zum ersten Mal ein Mandat im Bundestag haben. Sie wollen in den kommenden vier Jahren mitwirken am Geschick dieses Landes, entweder in der Regierung oder in der Opposition. Oft wird diesen Frauen und Männern unterstellt, dass sie weniger dem Souverän dieses Landes, also dem Wahlvolk, dienen und dessen Willen umsetzen wollen, sondern eher ihre eigene Karriere verfolgen. „Es geht denen ja bloß um sich selbst“, hört man den wahren Herrscher dieses Landes, den Wähler oft empört ausrufen. Wenn das so wäre, hätte er aber jederzeit die Möglichkeit solche Politiker nicht zu wählen. Oder in Gremien mitzuarbeiten, die Kandidaten aufstellen. Und natürlich kann sich jeder unbescholtene Bürger sogar selbst um ein politisches Mandat bewerben.
Respekt vor politischer Arbeit
Gerade da fängt es an, unbequem zu werden. Denn es bedeutet, viele Jahre ehrenamtliche Arbeit zu leisten, lange Abende auf Veranstaltungen zu verbringen und sich fortzubilden, ohne unbedingt beruflich etwas davon zu haben. Es bedeutet auch, sich zu binden, an ein Wahlprogramm und an eine Partei, sich für einen bestimmten politischen Weg zu entscheiden und zu respektieren, wenn jemand einen anderen Weg geht. Das ist ganz schön viel verlangt.
Wäre ich bereit, solche zeitlichen und auch finanziellen Opfer zu bringen? Mich politisch festzulegen anstatt jede Position gleich schlecht zu finden? Würde ich mich auf einen Marktplatz stellen, um Wahlkampf an der Basis zu machen, mich vielleicht blöd anreden zu lassen, der Fußabstreifer für Nörgler zu sein, oder von Besserwissern totgeredet zu werden, die immer ganz einfache Lösungen für alle Probleme wissen. Darum ärgere ich mich, über das Politiker-Bashing, das ich beim Plausch an der Supermarkt-Kasse, beim Stammtisch und in den Sozialen Medien höre und das vor jeder Wahl anschwillt.
Ich muss Politiker ja nicht gleich bewundern, aber Respekt habe ich vor ihnen. Und den dürfen sie auch erwarten. Denn verglichen mit ihrer Arbeits-Belastung, werden Bundestags-Abgeordnete nicht übermäßig gut bezahlt.
Politiker-Bashing durch Donald Trump
Für einen Spitzenverdiener jedenfalls ist ein Mandat finanziell uninteressant. Und die wenigsten Politiker machen nach ihrer politischen Laufbahn noch eine große Karriere. Dass ein ehemaliger Bundeskanzler wie Gerhard Schröder bei russischen Großkonzernen anheuert, ist Gott sei Dank nicht der Normalfall. Auch wenn dieser Posten ein Gschmackerl hat und da aus meiner Sicht schärfere Regeln und Beschränkungen gefunden werden müssen. Grundsätzlich gestehe ich Politikern ein großes Maß an Idealismus, Gemeinsinn und Opferbereitschaft zu. Das muss nicht heißen, auf Kritik oder Widerspruch zu verzichten, aber sie herunterzumachen, das kommt mir allzu billig vor.
Der Vorwurf, die Politik sei ein Sumpf und wer daran mitwirkt, habe nur seinen eigenen Vorteil und persönliche Eitelkeit im Sinn: dieser Vorwurf fällt oft genug auf denjenigen zurück, der ihn erhebt. Dafür bietet etwa ein Donald Trump fast jeden Tag ein denkwürdiges Beispiel. Es haben ihn Wähler ins Amt gehoben, die sich von ihren eigenen pauschalen Schmähungen und Vorbehalten gegen das sogenannte Establishment haben hinreißen lassen. Das kann also ins Auge gehen.
Für mich als Christ bedeutet das, der pauschalen Kritik an Politikern zu misstrauen. Auch wenn ich mir die Kandidaten meines Wahlkreises genau anschauen werde und das nicht nur auf den Plakaten. Ich gehe davon aus, dass die meisten von ihnen ihr politisches Engagement auch als Dienst am Nächsten verstehen. Und dafür haben diese Frauen und Männer wenigstens eines verdient: Dass ich zur Wahl gehe und mich für den einen oder anderen Kandidaten entscheide.