mk online: Warum ist die katholische Kirche in der Konflikt- und Krisendiplomatie aktiv?
Patrick Körbs: Die katholische Kirche stellt sich immer an die Seite der Menschen, die keine Stimme haben, gequält und von Krisen geschüttelt werden. Das gibt einfach das Gebot der Nächstenliebe vor. Das kommt natürlich zuerst in der Seelsorge zum Ausdruck, aber aufgrund der internationalen Geschichte der Kirche und ihrer Rolle als Institution hat sich auch eine diplomatische Dimension herausentwickelt.
Seit wann ist denn die römischkatholische Kirche in der Krisen- und Friedensdiplomatie aktiv?
Körbs: Die Friedensappelle von Papst Benedikt XV. im Ersten Weltkrieg an alle Nationen sind sicher ein entscheidender Moment. Schon zuvor war die Zahl der Nuntiaturen ständig gewachsen und damit das diplomatische Feld des Heiligen Stuhls. Deshalb hielt es Benedikt XV. für möglich, aber auch für nötig, sich in die internationalen Beziehungen einzubringen, um diesen mörderischen Krieg zu beenden. Viel hat es leider nicht bewirkt, aber damals hat es begonnen, dass der Papst in Krisen- und Kriegssituationen seine Stimme erhoben und dabei auf seine Diplomaten zurückgegriffen hat.
Wie erfolgreich ist der Heilige Stuhl damit?
Körbs: Da müssen wir bescheiden sein. Es gibt nur selten die großen Würfe, wie wir sie gerne hätten. Würde alles so laufen, wie es die kirchliche Diplomatie sich wünscht, hätten wir keine großen internationalen Krisen. Es gab aber doch immer wieder Situationen, wo der richtige Kirchenmann zur richtigen Zeit aufgetreten ist. Etwa als Papst Johannes XXIII. 1962 in der Kubakrise vermittelt hat, als der Welt ein Atomkrieg drohte. Es geschieht schon immer wieder, dass die Diplomatie des Heiligen Stuhls Wege für ein konstruktives Miteinander bereitet.
Warum eignet sich der Heilige Stuhl in besonderer Weise für internationale, aber auch binnennationale Vermittlungen?
Körbs: Der Vatikanstaat ist ein Zwerg unter lauter Riesen, und das ist seine Stärke. Denn er hat kein Staatsvolk, keine Verbindlichkeiten in militärischen Bündnissen oder wirtschaftlichen Vereinbarungen. Er kann sich auf die Not der Menschen konzentrieren. Weil er kaum eigene außenpolitische Interessen hat, kann der Heilige Stuhl Gesprächskanäle zwischen verfeindeten Gruppen oder Nationen öffnen. Zusätzlich gehört es zu den Stärken der katholischen Kirche, dass sie überall in der Welt vertreten ist, und zwar bis in die kleinste Basis hinein, in Pfarreien und Familien. Es wäre eine falsche Vorstellung, dass der Vatikandiplomat kommt, klug verhandelt und dann ändert sich alles zum Positiven. Er versucht die Basis so zu stärken, dass sie Konflikte entschärfen und Unterstützung leisten kann, etwa wenn es um die Verteilung von Hilfslieferungen geht.