Bischöfe, die das ablehnen, müssen sich dann mit naheliegenden Vorwürfen herumschlagen: In einer Gesellschaft, in der Homosexualität nicht mehr als Makel und schon gar nicht als Sünde gilt, wird ihre Haltung schnell als unbarmherzig, nicht zeitgemäß und wirklichkeitsfremd abgetan. Die Kirchensteuer würden die Bistümer auch gern von Homosexuellen annehmen, die einen Teil ihrer Persönlichkeit als Katholiken aber nicht leben sollen, schon gar nicht als Paar, lautet das Argument einer modernen Gesellschaft.
Aber die deutschen Bischöfe sind Teil der Weltkirche. Und zu der gehören auch Gesellschaften, die Homosexualität völlig anders bewerten, denen oft schon der Katechismus zu weit geht, der einen respektvollen Umgang mit gleichgeschlechtlich orientierten Menschen fordert. Sie gehen davon aus, dass Sexualität auf die Weitergabe des Lebens ausgerichtet ist, dass darin eine heilige Würde liegt, ein Teil der von Gott gegebenen Schöpfungsordnung. Diese naturrechtliche Sicht deckt sich mit der kirchlichen Lehrmeinung. Und sie tritt um so schärfer hervor, wenn Sexualität in erster Linie als persönliches Glück, als Privatangelegenheit zwischen zwei Menschen und, gut kommerziell angewandt, als Wohlfühlfaktor verstanden wird.
Tieferer Konflikt
Die Debatte um die kirchliche Segnung gleichgeschlechtlicher Paare bildet deshalb einen viel tieferen Konflikt ab: Es geht um die Frage, ob Sexualität abgekoppelt von gesellschaftlichen Ansprüchen zu denken und zu leben ist. Wenn die Bischöfe also die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ablehnen, dann schwingt dieser Grundkonflikt zwischen privat gelebter Sexualität und Verantwortung für die Gemeinschaft immer mit. Trotzdem muss vermieden werden, dass homosexuelle Paare, „von deren Treue, Liebe und Fürsorge sich etliche katholische Eheleute eine Scheibe abschneiden könnten“, sich von ihrer Kirche ausgegrenzt und verletzt fühlen. Das erfordert seelsorgerliches Einfühlungsvermögen gegenüber jedem Einzelnen, eine klare Kante ist da nicht hilfreich.
Mit dieser Spannung werden die Weltchristen, die einen „realistischen“ Umgang mit homosexuellen Gläubigen und die Bischöfe, die die Einheit der Kirche zu wahren haben, weiter leben müssen. Die Haltung der Oberhirten aber nur als weltfremd und unbarmherzig abzutun, ist zu einfach. Die Forderung homosexuelle Paare segnen zu lassen, können sie nicht einfach abnicken. (Alois Bierl)