Theologe mahnt zur Verantwortung

Katholischer Umweltethiker Vogt fordert strengere Klimapolitik

Klimapolitik ist und bleibt ein Reizthema. Das beweist derzeit einmal mehr die Weltklimakonferenz in Dubai. Umweltethiker Prof. Markus Vogt von der LMU sieht die deutsche Klimapolitik kritisch, hat die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben.

Der Klimawandel verstärkt die Häufigkeit und Intensität von Dürren, indem er Temperatur- und Niederschlagsmuster verändert, was zu Wasserknappheit und trockenen Bedingungen führt. © Adobe Stock / appledesign

Markus Vogt, Professor für Christliche Sozialethik am Department für katholische Theologie der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität, hat im Interview mit mk online die deutsche Klimapolitik kritisiert. Die Worte des Forschers dienen als Aufruf zur dringenden Umsetzung von effektiven Klimaschutzmaßnahmen und einer verantwortungsvollen, nachhaltigen Entwicklung in Deutschland. Sorge bereite Vogt vor allem die von der Bundesregierung geplanten Novelle des Klimaschutzgesetzes, mit der die „sektorspezifische Berichtspflicht aufgeweicht“ werde. Für ihn ist jedoch nicht die Zeit für die Aufweichung von Klimagesetzen gekommen. Stattdessen solle sich die Bundesregierung an die Verpflichtung des Pariser Klimaabkommens halten, nach welchem die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius begrenzt werden soll: „Die aktuellen Zusagen zum Klimaschutz reichen lediglich für eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 2,9 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts. In diesem Tempo werden wir den Kampf gegen die Erderhitzung verlieren.“ 

Vogt erinnert in diesem Kontext auch an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2021, das damals eine ambitioniertere Klimapolitik forderte und urteilte, dass Teile des deutschen Klimaschutzgesetzes verfassungswidrig sind und eine unzureichende Regelung für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen bis 2030 darstellen. „Es braucht solche Ermahnungen auch von juristischer Seite, um die Politik auf den richtigen Weg zu bringen." 

Die Hoffnung liegt in der Wissenschaft 

Vogt, der die Deutsche Bischofskonferenz in ökologischen Fragen berät, ist davon überzeugt, dass sich Klimakatastrophen zwar bereits nicht mehr vermeiden lassen, sich das Engagement aber dennoch lohnt, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen. Besonders alarmierend sei die kommende Zahl von Klimaflüchtlingen aus dem globalen Süden, die in die Hunderte Millionen gehen könnte. Vor einer Verringerung des Wohlstands hat Vogt dagegen weniger Sorgen: „Es gibt auch Lebensqualität mit weniger Wohlstand. Ich habe keine Angst davor, wenn die Wohlstandsentwicklung nicht mehr ganz so stabil und gesättigt ist, wie es in den letzten Jahrzehnten der Fall war.“ 

Trotz der unvermeidbaren Klimakatastrophen sieht Vogt Hoffnung in der Wissenschaft, die mit Innovationen zu Problemlösungen beitragen könnte. Die LMU gründete hierfür kürzlich ihr neues Münchener Zentrum für Nachhaltigkeit, um interdisziplinäre Forschung, Lehre und den Wissenstransfer in Sachen Nachhaltigkeit zu bündeln. Der Sozialethiker ermutigt dazu, nicht zu viel Zeit zu verlieren und betont den Rückenwind durch Papst Franziskus, der in seiner letzten Umwelt-Enzyklika “Laudate Deum“ die dringende Notwendigkeit eines verantwortungsbewussten Handelns hervorhob.  

Blick in Richtung Weltklimakonferenz 

Markus Vogt gehört zu den rund 250 Verantwortungsträgern in theologischer Wissenschaft und Kirchen, die im Oktober mit einem ökumenischen Klimaappell von der Bundesregierung gefordert hatten, Klimaschutz konsequenter umzusetzen. Die daraus resultierende Online-Petition haben mittlerweile über 3.800 Personen unterzeichnet. Vogt hält es zwar für „bemerkenswert“, wie viele Vertreter christlicher Kirchen und Religionsgemeinschaften sich vor der sich aktuell in den letzten Zügen befindenden Weltklimakonferenz in Dubai für eine deutliche Wende hin zu einem konsequenten Klimaschutz eingesetzt haben, vermisst jedoch von der Deutschen Bischofskonferenz einen mutigen Ansatz, „um die viele Bemühungen einzelner kirchlicher Gruppen und Institutionen zu bündeln.“ 

Gleich nach der Eröffnungszeremonie der erwähnten Weltklimakonferenz wurde eine Vereinbarung über die Einrichtung des neuen Klimafolgen-Entschädigungsfonds von den teilnehmenden Staaten angenommen, der dazu dient, gefährdeten Ländern bei der Bewältigung der finanziellen Belastungen durch klimabedingte Schäden wie Dürren oder Überschwemmungen zu unterstützen. Vogt hält den Start dieses Fonds für wichtig, „um denen ein Mindestmaß an Hilfe zukommen zu lassen”, die am meisten an der Erderwärmung zu leiden haben. „Das ist eine Frage der Gerechtigkeit: Wer Schäden verursacht, muss für sie zahlen. Es ist auch eine Frage der Klugheit, um gesellschaftlichen Verwerfungen und unabsehbaren Migrationsströmen entgegenzuwirken“, sagt der Experte.  

Kritik am Umgang mit grüner Partei und Klimaaktivismus 

Auf die Frage nach der Akzeptanzsteigerung für Klimaschutzmaßnahmen betont Vogt: „Ich halte es für einen Fehler, dass die Grünen in der Politik zu den Hauptfeinden erklärt werden." Er warnt davor, dass dies zwar kurzfristig aus wahlkampftaktischen Gründen lohnend erscheint, langfristig aber eine Barriere für verantwortungsbewusste Politik sein könnte. 

Außerdem kritisiert der katholische Theologe den Umgang der Politik mit den Klimaaktivisten der “Letzten Generation“: Es sei ein „Kategorienfehler, dass die bayerische Politik die 'Letzte Generation' als eine terroristische Vereinigung eingestuft hat." Er bezeichnet dies als einen unangemessenen Politikstil im Umgang mit den berechtigten Sorgen der jungen Generation. „Die 'Letzte Generation' ist keine terroristische Vereinigung, sie will nicht Gewalt anwenden, sie will nicht den Staat abschaffen.“ 

Die Rolle der Medien 

Auch die Medien hätten mit einer zu einseitigen Berichterstattung zur Polemik gegen die Klimaaktivisten beigetragen. Den Redaktionen hierzulande attestiert der Sozialethiker zwar durchaus vorhandene Expertise in Sachen Klimawandel, die Medien sollten jedoch mit noch häufigerer Berichterstattung über Entwicklungen des Klimawandels und neuen Formaten dazu beitragen, einen Bewusstseinswandel in der Gesellschaft herbeizuführen. „Der Journalismus hat eine enorme Verantwortung“, so Vogt.

Der Autor
Wanja Ebelsheiser
Volontär beim Sankt Michaelsbund
w.ebelsheiser@michaelsbund.de