Bonn – Wer sich mit dem Tod auseinandersetzt, trifft Lebensentscheidungen anders: Das ist die Überzeugung von Palliativmedizinerin Claudia Bausewein und von Rainer Simader, der das Ressort Bildung bei Hospiz Österreich leitet, dem Dachverband aller Hospiz- und Palliativeinrichtungen des Landes. Ihr gemeinsames Buch ist am 1. Oktober erschienen - mit Tipps und Anregungen zum Umgang mit den "letzten Dingen". Auch schwierigen Fragen weichen die Autoren nicht aus.
Praktische Fragen und Tabuthemen
Statistisch gesehen begleitet jeder Mensch fünf Personen aus dem nahen Umfeld an deren Lebensende. Dies seien "gefühlt zu viele, aber praktisch gesehen zu wenige, als dass Sie Sicherheit im Umgang mit dem Tod und Sterben gewinnen könnten", heißt es im Vorwort von "99 Fragen an den Tod". Das Buch soll diese Lücke füllen. In acht Teilen werden praktische Fragen beantwortet: Was ist eine ehrenamtliche Hospizbegleiterin? Wer zahlt für palliative Begleitung? Und was ist eine Vorsorgevollmacht?
Genauso aber geht es um Gedanken, die viele nicht auszusprechen wagen - nicht gegenüber einem Arzt, und erst recht nicht gegenüber einem sterbenden Menschen. Zum Beispiel: Sexualität und Sterben - darf das ein Thema sein? Oder: Darf ich vor dem Sterbenden weinen? Was sage ich, wenn ich keine Antwort weiß?
Vermarktete Vergänglichkeit
Im Umgang mit dem Tod herrscht vielfach Sprachlosigkeit. Er habe sich "immer mehr auf das abendliche Fernsehprogramm" verlagert, sagt Simader: "Wir holen ihn uns über Krimis mit unzähligen Leichen ins Wohnzimmer. Daneben wird Makellosigkeit auf Online-Plattformen zelebriert, Schönheitsoperationen nehmen zu, Castingshows boomen. Als wichtig gilt, gut auszusehen und Fitness zu machen." Diese Trends glichen einem "Kampf gegen die Vergänglichkeit", beobachtet der Experte. In der Folge falle es Patienten und Angehörigen immer schwerer, sich dem Sterben zu stellen.
"Unsere wichtigste Aufgabe", ergänzt die Münchner Professorin Bausewein, "ist das Reden." Ein Schwerpunkt des Ratgebers liegt auf der Herausforderung, angemessen zu kommunizieren, wenn die Worte fehlen. Ein Tipp: zuhören - und nicht befürchten, dass man alle Antworten kennen "muss". Wenn ein sterbender Mensch etwa die Frage stellt, ob er nach dem Tod wohl dem lange verstorbenen Vater erneut begegnen werde, kann eine Gegenfrage sinnvoll sein: "Möchtest du ihn denn wiedersehen?" Vielleicht wünscht sich der Betroffene ein Wiedersehen - vielleicht macht ihm die Vorstellung aber auch Angst.