Jetzt ist es nicht mehr lange hin, dann sind endlich Ferien, und der Urlaub ist da. Ich finde, wir nehmen diese wunderbare Auszeit viel zu selbstverständlich hin. Das wurde mir klar, als ich neulich eine Frau getroffen habe, die fast acht Wochen lang nach einem Schlaganfall im Pflegebett lag. Jetzt kam der erste Gehversuch mit Hilfe eines Rollators. Nach den ersten mühsamen Schritten sagte sie glück- strahlend: Ich kann wieder gehen! Diese Wunder des Alltags, die uns ständig begegnen, schätzen wir irgendwie zu wenig.
Der Glaube trägt uns
Dazu fällt mir ein schönes biblisches Bild ein, eine Begebenheit zwischen Jesus und Petrus am See Genezareth. Jesus geht auf dem Wasser, Petrus kommt auf ihn zu, verliert plötzlich den Halt, geht unter. Jesus ergreift ihn, hält ihn fest, rettet ihn, hilft ihm zu stehen und zu gehen. Auf dem Wasser übrigens! Was das Bild sagen möchte, ist eigentlich klar erkennbar: Sei dankbar, du kannst gehen! Sei glücklich, du kannst glauben und vertrauen. Es gibt ein vertrauensvolles Gehen, wenn der Glaube uns trägt. Jeder von uns hat diese Erfahrung schon gemacht: Das Wasser steht uns buchstäblich bis zum Hals, wenn Ängste uns überfallen, Zweifel uns unsicher machen.
Wer den Weg Jesu geht, findet zur Wahrheit
Wie Petrus suchen wir dann nach einer Hand, nach einem Halt. Wichtiger ist es also, mit Jesus zu gehen, seine Hand zu spüren, um seine Nähe zu wissen. Auch damit wir den rechten Weg finden. Schließlich sagt Jesus von sich: „Ich bin der Weg, die Wahrheit, das Leben.“ Wer den Weg Jesu geht, findet zur Wahrheit und damit zu seinem Leben. Vielleicht sind deshalb die Pilgerwege innerhalb einer einzigen Generation wieder ‚in‘ geworden. Allein auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela gehen jedes Jahr Hunderttausende, wenn auch aus verschiedenen Gründen und nicht alle aus religiösen Motiven.
Bewusst barfuß gehen
Es gibt ja drei große Pilgerwege: nach Jerusalem (um Jesu willen), nach Rom (um der Kirche willen) und eben nach Santiago de Compostela (um seiner selbst willen). Offenbar bringt gerade dieser Weg nach Westspanien etwas ganz Besonderes. Das Gehen wird zu einer spirituellen Übung, die wir in der Hektik des Tages vergessen haben.
Aber es muss ja nicht immer Santiago de Compostela sein. Vielleicht können wir es in dieser Sommerzeit auch an unserem Ferienort einmal ganz bewusst barfuß probieren. Das gehört auch zu einem erholsamen Urlaub dazu. Gönnen wir uns in der kommen- den Ferien- und Urlaubszeit ruhige Schritte und genießen das Wunder: Wir können gehen! (Pfarrer Rainer Schießler)