Waldkraiburg – Wie kann die Seelsorge der Zukunft aussehen? Der Salesianerpater Walter Kirchmann lebt sie bereits. Als Pfarrverbandsleiter will er Brücken schlagen, „dass wir in der Welt sind und die Welt bei uns“. Wer selbst aktiv wird, auf die Bedürfnisse der Menschen reagiert und nicht nur sein eigenes Kirchenprogramm abspult, wer möglichst viele miteinbezieht, der könne Gläubige und Sinnsuchende auch heute noch erreichen.
Es ist erstaunlich still – für einen Vormittag im Kindergarten. Friedlich trifft es sogar noch besser. Draußen recht ein Gärtner das Laub zusammen, drinnen sitzen neun Mädchen und Buben im Kreis und gestalten lange gelbe Pappstreifen mit bunten Utensilien, die sie sich aus verschiedenen Körben selbst aussuchen dürfen. In der Mitte brennen zwei Kerzen, im Hintergrund läuft leise Musik. Die Kinder der Gänseblümchen-Gruppe sind konzentriert bei der Sache. Genauso wie Pater Kirchmann. Er kniet auf einem orangen Sitzkissen, beobachtet, wie die Kinder ihre Sonnenstrahlen dekorieren, und hilft von Zeit zu Zeit, die Schnüre zu entwirren. Die Kinder zeigen ihm begeistert ihre Funde und er freut sich sichtlich mit ihnen. Nur ein Mädchen direkt neben ihm ist in sich gekehrt und schaut den anderen bloß zu. Pater Kirchmann reicht ihr einen Korb und motiviert sie, mitzumachen. Vorsichtig, aber dankbar greift sie nach ein paar Filzkugeln.
Kirche muss auf Menschen zugehen
Vier Kindergärten gehören zum Pfarrverband Waldkraiburg, den der Salesianerpater seit eineinhalb Jahren leitet. Ihm und seinem Seelsorgeteam ist es wichtig, regelmäßig in den Kindergärten präsent zu sein und schon den Kleinsten ein Gespür für christliche Werte zu vermitteln. „Wir können als Kirche längst nicht mehr erwarten, dass die Leute einfach zu uns kommen, sondern wir müssen zu den Leuten gehen – in die Kindergärten, Altenheime oder auch in die Politik“, erklärt der 56-Jährige. Das werde mal mehr, mal weniger gut angenommen, da ist er ganz realistisch. Aber Pater Kirchmann hat sich über die Jahre eine gesunde Gelassenheit antrainiert: „Ich mache Angebote. Wenn die Leute andocken wollen, ist das gut. Wenn nicht, ist das auch in Ordnung. Das ist deren Entscheidung.“
Salesianer wollte nie Priester werden
Seit 2003 arbeitet Pater Kirchmann in der Pfarrseelsorge – zuerst fünf Jahre in Augsburg, anschließend zehn Jahre in Würzburg und nun ist er im Südosten Bayerns gelandet, in Waldkraiburg. Für ihn ist es schlicht: Berufung. Eine Berufung, die ihn selbst überrascht hat, denn eigentlich wollte er nie Priester werden „und Pfarrer schon gar nicht“.
Walter Kirchmann wächst in Ingolstadt als Jüngster von vier Geschwistern auf. Als er 13 Jahre alt ist, stirbt seine Mutter und er kommt in ein Caritas-Kinderdorf. „Aufgrund meiner eigenen Lebensgeschichte wollte ich immer Pädagoge und Heimleiter werden. Doch dann bin ich von Gott geführt worden, davon bin ich fest überzeugt.“ Er holt sein Abitur nach, tritt in den Orden der Salesianer Don Boscos ein, studiert in Benediktbeuern Sozialpädagogik und Theologie und wird mit 34 Jahren zum Priester geweiht.
Seine erste Station danach: Buxheim. Dort ist er Erzieher und Gruppenleiter im damaligen Internat der Salesianer Don Boscos, Pfadfinderkurat und Schulseelsorger. Doch über Aushilfen in der Pfarrei merkt er: „Das ist meins.“ Seitdem wollte er nichts anderes mehr. „Ich bin nicht derjenige, der große Visionen hat, aber ich habe gewisse Prinzipien. Don Bosco hat es Assistenz genannt. Ich will bei den Leuten sein, mit ihnen Leben, Trauer, Glauben und Unglauben teilen.“