300 Jahre Schloss Fürstenried

Vom Lustschloss zum Exerzitien-Haus

Dort, wo sich früher ein Kurfürst amüsierte, suchen heute Menschen die Ruhe. Denn das Schloss Fürstenried ist mittlerweile ein Exerzitien-Haus. Bevor es das war, war auch Joseph Ratzinger, später Papst Benedikt XVI., öfter da.

Heuer wird Jubiläum gefeiert: 300 Jahre Schloss Fürstenried. (Bild: imago) © Krauss

Wenn Steine sprechen könnten, dann würden die Mauern von Schloss Fürstenried erzählen von Krieg und Frieden, von barocken Festen und seelischer Verzweiflung, von Wundverbänden und Gebeten. 300 Jahre Schloss Fürstenried und 90 Jahre Exerzitien-Haus, das soll heuer erinnert und gefeiert werden durch eine Vielzahl von Veranstaltungen und mittels einer Ausstellung, die der Historiker Clemens Brodkorb vom Archiv der Deutschen Provinz der Jesuiten vorbereitet. Ob es tatsächlich die Jesuiten waren, die 1715 von ihrem Gut Warnberg Ziegelsteine für den Bau zur Verfügung stellten, dazu lassen sich bisher keine Quellen finden. Es wäre aber eine schöne Geschichte, weil hier seit 1925 Exerzitien nach den Regeln von Ignatius von Loyola stattfinden und weil die Jesuiten seit 1969 die Direktoren des Exerzitien-Hauses stellen – Pater János Hegy war der erste. Dabei war dieses kleine Schlösschen am südwestlichen Stadtrand von München ursprünglich kein Ort der Gottessuche, sondern des Amüsements unter Kurfürst Max Emanuel.

Ort des Schweigens

Gebaut hat die gesamte Anlage mit dem Festsaal, mit Küchenbau und Ställen, mit Gebäuden für Leibwache und Hofgärtner, mit Gewächshäusern und einer Kegelbahn der Münchner Hofbaumeister Joseph Effner. Er war ursprünglich Gärtner, ließ sich in Paris zum Architekten ausbilden und baute unter anderem im Park von Nymphenburg die Pagodenburg, die Badenburg und die Magdalenenklause. Bis heute schmückt sein „Parterre“ mit barocken Blumen- und Rasenrabatten den Schlossgarten.Die Lustbarkeiten des Adels enden 1798, als vorübergehend französische Trapistinnen einziehen, die vor den Revolutionären fliehen – das Haus atmet Stille, wird zum Ort des Schweigens.

Ort der Spiritualität

Vorerst bleibt dies eine kurze Episode, denn ab 1800 dominiert die militärische Nutzung – insgesamt viermal wird das Schloss zum Lazarett umfunktioniert. Der Einzige, der das Schloss für die Dauer von 33 Jahren dauerhaft bewohnt, ist ein Unglücklicher: Der psychisch kranke Wittelsbacher-Prinz Otto, jüngster Bruder von König Ludwig II., wird hier bis zu seinem Tod 1916 eingeschlossen, betreut von einem Hausgeistlichen und bewacht von einem Leibregiment. Die Zeit von Schloss Fürstenried als Ort der Spiritualität beginnt am 7. August 1925, als Kardinal Michael von Faulhaber das Exerzitien-Haus der Erzdiözese einweiht. Die Atmosphäre des Hauses prägen die Niederbronner Schwestern nicht nur durch tägliches Gebet, sondern auch durch ihre wohlschmeckende Küche, was nach der Lehre des Ignatius von Loyola in Zeiten der Exerzitien nicht unwichtig ist.

Joseph Ratzinger studierte dort

Bis 1935 besuchen mehr als achzigtausend Männer und Frauen die Kurse in Fürstenried. Auch 127 Mitglieder der Bayerischen Staatspolizei machen 1929 Exerzitien und versichern in einem Telegramm an Kardinal Faulhaber, dass sie als „ein Stück lebendiger Kirche“ treu zu ihrem Erzbischof stehen werden. „Das sind wohl die gleichen Staatspolizisten, die wenige Jahre später Pater Rupert Mayer verhaftet haben“, mutmaßt der Historiker Brodkorb. Gerade aus der Zeit des Nationalsozialismus hat er nur wenige Dokumente gefunden und wäre erfreut, wenn Zeitzeugen noch Programme und Einladungen des Exerzitien-Hauses zur Verfügung stellen könnten.

Prägend für diese schwierigen Jahre war ab 1934 der Domkapitular und spätere Weihbischof Johannes Neuhäusler mit seinen „Aktionstagen“ zur Bildung „geistiger Vorkämpfer und Widerstandskräfte“.Auch wenn die Exerzitien-Arbeit zunehmend behindert wird, auch wenn für den Bau der „Olympiastraße“ vor dem Schloss (die heutige Garmischer Autobahn) Grundbesitz enteignet wird – Fürstenried ist eine Heimat für Menschen, die kritisch denken und die gestärkt werden müssen. „Neuhäusler wusste sofort, was die Nazis spielten und was da auf die Kirche zukam“, resümiert Pater Christoph Kentrup. Der aktuelle Direktor des Exerzitien-Hauses hat Postkarten gefunden, die Neuhäusler aus dem KZ Dachau schrieb: Auf der Vorderseite eine idyllische Landschaft, auf der Rückseite eng geschriebenen Zeilen an den Gründungsdirektor Anton Kothieringer und die Schwestern in Fürstenried. „Darin schreibt er, dass ihm die Gründung dieses Exerzitien-Hauses eine Herzensangelegenheit gewesen ist“, berichtet Pater Kentrup. Die Schließung 1942 und der erneute Lazarett-Betrieb sind nur ein kurzes Intermezzo, schon 1945 wird das Exerzitien-Haus wiedereröffnet, zugleich findet die ausgebombte Theologische Fakultät hier vorübergehend Heimat. Berühmtester Student ist Joseph Ratzinger.

Exerzitien-Haus im Schlosspark

Frischer Wind zieht in Fürstenried ein, als von 1972 bis 1976 das Haus zu einem zeitgemäßen Exerzitien-Haus umgebaut wird. Ein moderner Anbau, der sich harmonisch in den Schlosspark einfügt, beherbergt eine Kapelle. Es war ihm eine Herzensangelegenheit als Rundbau, in der Volksaltar und Bänke im Halbrund die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils in Architektur umsetzen. „Die äußere Neugestaltung erfolgte durch die Neuordnung der Räume, die innere Neugestaltung dadurch, dass die Meditation eine größere Rolle spielte und Raum geschaffen wurde für die Einzelexerzitien“, erläutert Pater Kentrup. Und so wird hier weiterhin geübt, was der Jesuit und Kardinal-Erzbischof von Mailand Carlo Maria Martini in Worte fasste: „Mit den Exerzitien hat Ignatius den Christen einen Weg gezeigt, wie sie in unmittelbarer Beziehung zu Gott selbständige und urteilsfähige Menschen werden können.“ Annette Krauß